Heute haben
Franz Blei * 1871
Arno Schmidt * 1914
Peter Stamm * 1963
Geburtstag
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Rok
rijeka blues
ich sah dich mit einer welken
blume in der hand
tisch am fenster
deine augen so klar und kalt
wie die wintersonne
die durch das zerbrochene
fensterglas den raum
der erinnerungen
zu neuem leben erweckt
um dich
farben aus dreck
weiße schwäne in deinem haar
bist du zufällig hier
oder haben dich stürmische wellen
angeschwemmt wie treibholz
auf harten sand
die häuser der stadt sind zerbrochen
zerschossen
blindgänger im morgengrauen
in der hitze des sommers
ein langer tiefer zerstörerischer kuss
anker unter wolken
die lichter der stadt
leuchten ein
wenig kälter als sonst
leise fällt der schnee
auf bäume brücken
schrottplätze
dein haar deine haut
schneeflocken wie weiße sterne
bedecken deinen nackten körper
in dieser wunden winternacht
(aus: „Die Zärtlichkeit des Schneemanns, € 10,00)
Bei uns im Buchladen.
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Sarah Wiltschek empfiehlt:
Virginie Despentes:
„Das Leben des Vernon Subutex 1“
Kiepenheuer & Witsch Verlag € 12,00
Virginie Despentes hat einen messerscharfen Blick und seziert damit die französische Gesellschaft der 2010er Jahre.
Vernon Subutex ist ihr tragische Held, der alles verliert, was ihm lebenswert war: seinen Plattenladen, der gleichwohl seine Identität ist, seine Wohnung, deren Miete er lange schon nicht mehr zahlen kann und Freunde, die er großzügig ausnutzt.
Vernon kommt gut an, vor allem bei den Frauen. Das öffnet ihm auch deren Wohnungstüren, nachdem er keine eigene Bleibe mehr hat. Alles geschieht ihm und er taumelt wie in einem bösen Alptraum den Ereignissen hinterher, reduziert erst sein arbeitsloses Leben auf ein Minimum an Bedürfnissen, um sich dann bei Freunden einzunisten und am Ende auf der Straße zu landen.
Despentes beschreibt das Milieu, das sich rund um Subutex´ Plattenladen versammelt hatte: Musiker, Produzenten, Drehbuchautoren, Pornodarsteller und Finanzhaie. Die einen versuchen sich prekär über Wasser zu halten, die anderen gehen kaputt an Geld und Ruhm. Alle sind abhängig von ihrer Gier nach Dauererfolg, Megabeschleunigung, Drogen und dem Internet.
Die Autorin zeichnet einen ungeschönten Querschnitt der Gesellschaft und lässt wenig Spielraum für optimistische Weltanschauungen. Gewalt spielt eine große Rolle, rechtslastige Haltungen, Hochstapelei und ein alles zersetzender Egoismus. Solidarische Gemeinschaft existiert in Despentes´ heutigem Paris nicht mehr. Erst mit dem totalen gesellschaftlichen Absturz erlebt Subutex wieder etwas wie Mitgefühl, ein soziales Gefüge unter den Obdachlosen.
Mit diesem ernüchternden Fazit endet der erste, sehr empfehlenswerte Teils dieser Paris-Trilogie.