Die Veranstaltung mit dem dem Secession Verlag fällt aus, da der Verleger sich im Übersetzungstunnel befindet. Schade für uns. Aber wenn dabei ein gutes Buch herauskommt. Auch wieder gut. Wir versuchen ihn für die Literaturwoche im April 2016 zu gewinnen.
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Heute haben
Adalbert Stifter * 1805
Aravind Adiga * 1974
Geburtstag.
Und Pelé wird heute 75.
Adalbert Stifter
Abschied
Nun sind sie vorüber, jene Stunden,
Die der Himmel unsrer Liebe gab,
Schöne Kränze haben sie gebunden,
Manche Wonne floß mit ihnen ab.
Was der Augenblick geboren,
Schlang der Augenblick hinab,
Aber ewig bleibt es unverloren,
Was das Herz dem Herzen gab.
Müdigkeit
Ich hab‘ geruht an allen Quellen,
Ich fuhr dahin auf allen Wellen,
Und keine Straße ist, kein Pfad,
Den irrend nicht mein Fuß betrat.
Ich hab‘ verjubelt manche Tage,
Und manche hin gebracht in Klage,
Bei Büchern manche lange Nacht,
Und andere beim Wein durchwacht.
Viel mißt‘ ich, viel hab‘ ich errungen,
Auch Lieder hab‘ ich viel gesungen,
Und ausgeschöpft hat dieses Herz
Des Lebens Lust, des Lebens Schmerz.
Nun ist der Becher leer getrunken,
Das Haupt mir auf die Brust gesunken,
Nun legt‘ ich gern mich hin und schlief‘,
Unweckbar, traumlos, still und tief!
Mir ist, mir ist, als hört ich locken
Von fernher schon die Abendglocken,
Und süße, weiche Traurigkeit
Umweht mich: Komm, ’s ist Schlafenszeit.
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Wolfgang Bauer: „Über das Meer„
Mit Syrern auf der Flucht nach Europa
Eine Reportage
Mit Fotos von Stanislav Krupar
Suhrkamp Verlag € 14,00
Diese Reportage, die zuerst in der der ZEIT erschienen ist, lebt davon, dass Wolfgang Bauer mitten drin ist. Er trifft sich in Kairo mit Amar, einem Syrer aus Homs, der dort in wohlsituierten Verhlttnissen mit Frau, drei Töchtern und seiner Schwiegermutter wohnt. Der Zustand wäre wohl erträglich, würden Syrer in Ägypten nicht als Terroristen hingestellt werden. Die einizige Zukunft, die er, der ja schon einmal geflüchtet ist, sieht, ist eine neuerliche Flucht Richtung Europa. Er möchte es allein versuche und dann seine Familie nachholen. Wolfgang Bauer und der Fotograf Stanislav Krupar begleiten ihn und geben auf der Reise nicht ihre wahre Identität preis, sondern gelten unter den anderen Flüchtingen als eine von ihnen.
Bauer erzählt sehr spannend, aber nicht reisserisch, von den ersten Versuchen ihrer Flucht und streut sehr gekonnt Fakten, Daten und Hintergründe für diesen Exodus ein. Er zieht Vergleiche zum Bosnienkrieg, er erwähnt natürlich Dublin II, das Verhalten der EU, die den Friedennobelpreis erhalten hat und gleichzeitig tausende von Flüchtlingen auf dem Mittelmeer, dem Ursprung der europäischen Geschichte, ertrinken lässt. Er schreibt über die Enstehtung von IS und deren unglaubliche Verbreitung, die sie mit brutaler Gewalt durchsetzen.
Amar und die beiden Reporten gelingt es tatsächlich an Tickets für ein Schiff Richtung Europa zu kommen. Es geht alles über Schleuserbanden, die untereinander rivalisierend sind. Bauer vergleicht sie mit Reisebüro mit ungewöhnlichen Methoden. Ein Minibus bringt sie, extrem eingezwängt, nach Alexandria. Von dort soll es mit dem Schiff weitergehen. Dass dies erst nach mehreren Anläufen gelingt, verschärft die Situation der Flüchtlingsgruppe, zu der auch noch ein Brüderpaar kommt, deren Wegen Wolfgang Bauer auch mitverfolgt. Es kommt zu einer Entführung der Gruppe durch eine andere Schleuserbande, die auf Geldzahlungen besteht, es gelingt das Besteigen eines Bootes, bei dem es nicht zimperlich zugeht und die Bordmitglieder nicht darauf achten, wenn Familien auseinandergerissen werden. Die Fahrt dauert nicht lange und innerhalb der Hoheitszone werden sie auf einer Insel abgesetzt, von der Polzei entdeckt und inhaftiert. Dort geben die beiden Journalisten ihre wahre Identität preis und verwandeln sich innerhalb kürzester Zeit von Flüchtlingen zu Urlaubern und sitzen in einem Flügzeug in die Heimat.
Die weiteren Versuche von Amar und den beiden Brüdern werden im zweiten Teil beschrieben.
Der Epilog von Wolfgang Bauer wird zum Appell an die Menschlichkeit und zu einer Forderung an die europäischen Politik, diese schleunigst zu ändern. Diese letzten Seiten allein lohnen diese Lektüre.
Wir in Europa wollten uns nicht einmischen. Wir wollten keinen Fehler machen. Wir haben dem Sterben in Syrien zugesehen. Wir schickten den Ausgebombten Zelte, ließen aber zu, dass Assad weiter bombte. Drei Jahre lang haben wir zugeschaut, wie das Regime die syrische Bevölkerung massakrierte. Wie er das Land zerstörte, wie kein Land seit Vietnam zerstört worden ist.
Syrien hat aufgehört, als Staat zu existieren. Syrien gibt es mittlerweile nur noch in Fragmenten. Es ist zerfallen in eine Vielzahl von Kleinstaaten, deren Grenzen sich ständig verschieben.
…
Wie lange noch wollen wir ihnen beim Ertrinken zusehen? Wie lange noch wollen wir eine Generation junger Syrer in die Illegalität zwingen? Sie in die Hände von Schleppern treiben? Wie lange verraten wir uns selbst? Die Kriege in Nahost verändern auch uns Europäer. Wir verrohen, schleichend und allmählich. Indem wir versuchen, uns zu schützen, zerstören wir uns selbst. Wir dürfen das nicht zulassen.
Zwingt die Frauen, Männern, Kinder nicht länger auf die Boote. Öffnet die Grenzen, jetzt. Habt Erbarmen.
Passend dazu das Bilderbuch aus dem Sauerländer Verlag, das wir am 7.September hier auf dem Blog vorgestellt haben.
Armin Greder: “Die Insel“
Eine alltägliche Geschichte
Sauerländer/S.Fischer Verlag € 16,99