Oh, heute kommt der Blogeintrag etwas später.
Ich habe frei! Ha!
Heute hat Stanislaw Lem Geburtstag (* 1921)
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Am Donnerstag, den 26.9. liest Jagoda Marinic bei uns in der Buchhandlung.
Beginn 19 Uhr. Eintritt € 10,00.
Ab Morgen gibt es hier für die nächsten Tage immer etwas zu lesen.
(Copyright : crisbeltran.com)
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Der Buchtipp des Tages:
Friedrich Christian Delius: „Die linke Hand des Papstes„
Rowohlt Verlag € 16,95
als eBook € 14,99
„Da man über Rom nirgends die Wahrheit findet, darf ich hoffen, dass mir der Leser einige flüchtige Bemerkungen nachsehen wird …“
Stendhal, Römische Spaziergäng
Dies ist das Motto, das Delius seinem neuen Buch voranstellt. Seine Romane erkennt man sofort am Format. Gebunden, schmal, harte Ecken ohne Umschlag. Und Delius nimmt uns wieder auf eine Reise mit, eine Reise durch eine Stadt, in der er sich sehr gut auskennt, in der er 1943 geboren worden ist und für uns Deutsche als Sinnbild einer Sehnsuchtsstadt gilt. Rom, was sonst kann das sein. Vor Jahren hat er schon einmal ein Buch über diese Stadt geschrieben, in dem seine Mutter hochschwanger (mit ihm) durch eine kalte Winternacht über den Pincio geht und ihre Gedanken schweifen lässt. Nun ist es Delius selbst, der seinen Gedanken freien Raum lässt. Also nicht Delius selbst, sondern die Hauptperson, die als Pensionär Deutsche durch die Ewige Stadt führt. In einer Pause zwischen zwei Führungen setzt er sich in die evangelische Kirche in der Via Sicilia und entdeckt, dass nicht weit von ihm der (deutsche) Papst in Zivil Platz genommen hat. Er, das Oberhaupt der katholischen Kirche hier an diesem Ort. Unvorstellbar. Dieser deutsche Papst hat jedoch diese Kirche mit großem Pomp und Trará besucht und wohl Gefallen an diesem Ort der Ruhe gefunden. Deshalb wohl auch der Besuch ganz inkognito. Unser Mann, ein ehemaliger Archäologie, schaut auf die Hände des Papstes und fragt sich, welche Macht diese Hände wohl wirklich haben. Und er meint zu bemerken, dass die linke Hand etwas zitterig ist.
Daraus entwickelt Delius mit seinem Mann ein Gedankenspiel erster Sahne. Er schimpft über das wahre, wirkliche Rom, von dem die Touristen nichts wissen wollen. (Seine nächste Tour geht zum Knöchelchen des Heiligen Thomas, dem Sinnbild aller Geschichten, die es um die Stadt und die katholische Kirche gibt). Er kocht fast über, als ihm der Besuch dieses Wüstenfürsten und Pferdenarren aus Libyen in den Sinn kommt. Dieser Besuch, der verbunden war mit der Rekrutierung von Unmengen junger Frauen, die sich für ein Taschengeld ihm zur Verfügung gestellt haben und von denen der große Politiker zwei vom Islam überzeugt hat. Dieser Politschurke Gaddafi und sein Partner und immernoch Edelschurke Berlusconi geben sich die Hand und vereinbaren undurchsichtige Geschäfte, bei denen dem Papst doch sicherlich die Hand auschrutschen würde, wenn er nur könnte.
„Ein halbes Jahr zuvor, als der Öldiktator von der anderen Seite des Meeres nach Rom gekommen war, (…) um mit dem hier regierenden Diktatorenfreund die unverbrüchliche Freundschaft zu feiern und Geschäfte abzuschließen, (…) als der Öldiktator und islamische Laienprediger das Christentum und die Kirche in burschikoser Art verhöhnt hatte, die selbst einem anständigen Ketzer zu weit ging, da hatte ich, vor dem Fernseher sitzend, an eine impulsive Bewegung der päpstlichen Hände denken müssen. Eine Ohrfeige nicht für den Gast, das gehörte sich nicht, sondern für den Gastgeber, der seinen Kumpel aus der Wüste von morgens bis nachts vor Mikrofonen und Kameras mit Komplimenten überschüttete.“
Delius schreibt über das Rom der Nazizeit, über Massaker, von denen seine Touristengruppen nichts wissen wollen. Über die Ratten in der Via Veneto und die Kunst der Italiener, sowohl dies zu sagen und das zu tun.
Delius lässt die Gedanken des Mannes über fast 120 Seiten schweifen, die wir, ohne Atem zu holen, in einem Rutsch lesen können. Und doch sind nur ein paar Minuten vergangen, in denen er neben dem Papst in der Kirche sitzt. Und wir sind nur am Staunen und wünschen uns dorthin. Ja, dorthin an den Sehnsuchtsort, dort wo wir nach Stellen, Ecken und Flecken suchen, die unsere Seele zum Staunen bringt. Also auch wir gehören zu den Touristen, auf die unser Führer mit Verachtung und Wohlwollen herunterschaut. Was der Papst m Ende des Buches noch macht, will ich nicht verraten.
Allerdings schreibt Delius in einem Nachtrag:
„Am Freitag, dem 8.Februar 2013, wurde die vorliegende Endfassung dieses Buches um 16.59 von rom per Mail an den Verlag nach Berlin geschickt. Der 10.Februar war der Sonntag Estomihi. Am folgenden Montag, dem 11.Februar, kam um 11.46 die Meldung, der Papst werde am 28.Februar 2013 von seinem Amt zurücktreten.
F.C.D.“
Hat Ratzinger durch einen Maulwurf Zugang zum Manuskript bekommen und sich diesbezüglich zu seinem Rücktritt bewegen lassen? Wir wissen es nicht. Was ja auch egal ist bei diesem irren Gedankenspiel über Liebe und Hass für diese Stadt. Mit dieser Abrechung von Sehnsucht und Wahrheit, Vergangenheit und Gegenwart.
Meine Empfehlung: Lesen!
Hier können Sie es reservieren lassen.
Bericht im Rowohlt Magazin
Leseprobe
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