Heute haben
Percy Bysshe Shelley + 1792
Knut Hamsun * 1859
René Schickele * 1883
Witold Gombrowicz * 1904
Liao Yiwu * 1958
Geburtstag.
Aber auch Barack Obama.
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Carlos Peter Reinelt: „Willkommen und Abschied„
Wallstein Verlag € 9,40
24 Seiten, die es in sich haben. Dieses geklammerte Heftchen mit seinem Monolog läßt Sie so leicht nicht mehr los.
Wir haben gestern auf die beiden Ausstellungen in Ulm hingewiesen, die auf Probleme in arabischen Ländern hinweisen. Gestern kam mit einer Kiste Neuerscheinungen auch dieser Text von Carlos Peter Reinelt, der dafür den wichtigen Rauriser Förderpreis 2016 erhalten hat.
Wir befinden uns zwar nicht in Syrien, dem Land, aus dem der Protagonist kommt, sondern mitten in Europa. Auf einer Autobahn in Österreich und er befindet sich mit 60 anderen Personen eingepfercht und eingeschlossen in einem LKW eines Schleppers und redet, flucht, betet um sein Leben. Dies bekommen wir nach und nach mit.
Sein Erzähler ist ein junger Mann, ein Rabauke, einer, dessen erstes Wort „verdammt“ lautet. Vor allem (und von allem) ist er genervt, und erst recht stört ihn die schlechte Luft, die Enge, das Geschrei der Kinder, der Gesang der Mütter. Von Allah redet er dann und von einer Geschichte, die sich in seinem Heimatdorf zugetragen hat. Diese freche Geschichte zeigt viel über den Zustand, die Befindlichkeit, die Tradition in seinem Heimatland. Als dieses Ereignis tödlich für seinen Freund endet, ist klar, daß er fliehen muß. Seine Familie vertraut auf Allah und er zieht alleine los. Er hat den Weg über das Mittelmeer geschafft und befindet sich nun im freien, zivilisierten Österreich.
Die Gestaltung des Textes ist sehr besonders, denn er ist eingerahmt mit den Worten „Willkommen und Abschied“, gedruckt in der alten deutschen Schrift. Der Hintergrund der eigentlichen Geschichte wird immer grauer, bis er ganz schwarz ist und wir nichts mehr erkennen können. Auch die Schriftgröße ändert sich, je nachdem wie laut oder leise der junge Mann redet oder denkt.
Es ist ein Text, der uns beim ersten Lesen sprachlos macht und vielleicht laut vorgetragen werden sollte, denn der Rhythmus der Sprache ähnelt einem Gedicht. Ein Gedicht, das tragischer nicht endet könnte. Und das alles eingerahmt in das „Willkommen und Abschied“ des großen Goethe.
Dem Protagonisten geht die Luft aus und uns bleibt sie weg.
Den Rauriser Förderungspreis 2016 (vergeben von Land Salzburg und Marktgemeinde Rauris, dotiert mit € 4.000) zum Thema „Zeitraffer“ erhält Carlos Peter Reinelt für seinen Text „Willkommen und Abschied“.
Aus der Begründung der Jury (Thorsten Ahrend, Christine Haidegger, Christine Riccabona): „Der Text widmet sich mutig und respektvoll dem Thema Flucht aus mörderischen Verhältnissen und macht die unmenschliche Realität des Weges nach Europa sichtbar, indem er die Leser in die entsetzliche Spannung zwischen erhoffter Rettung und auswegloser Situation in einem Schlepper-LKW hineinversetzt.“
Wolfgang Wolfgang von Goethe
Willkommen und Abschied
Es schlug mein Herz, geschwind zu Pferde!
Es war getan fast eh gedacht.
Der Abend wiegte schon die Erde,
Und an den Bergen hing die Nacht;
Schon stand im Nebelkleid die Eiche,
Ein aufgetürmter Riese, da,
Wo Finsternis aus dem Gesträuche
Mit hundert schwarzen Augen sah.
Der Mond von einem Wolkenhügel
Sah kläglich aus dem Duft hervor,
Die Winde schwangen leise Flügel,
Umsausten schauerlich mein Ohr;
Die Nacht schuf tausend Ungeheuer,
Doch frisch und fröhlich war mein Mut:
In meinen Adern welches Feuer!
In meinem Herzen welche Glut!
Dich sah ich, und die milde Freude
Floß von dem süßen Blick auf mich;
Ganz war mein Herz an deiner Seite
Und jeder Atemzug für dich.
Ein rosenfarbnes Frühlingswetter
Umgab das liebliche Gesicht,
Und Zärtlichkeit für mich – ihr Götter!
Ich hofft es, ich verdient es nicht!
Doch ach, schon mit der Morgensonne
Verengt der Abschied mir das Herz:
In deinen Küssen welche Wonne!
In deinem Auge welcher Schmerz!
Ich ging, du standst und sahst zur Erden,
Und sahst mir nach mit nassem Blick:
Und doch, welch Glück, geliebt zu werden!
Und lieben, Götter, welch ein Glück!