
Heute haben
F.Scott Fitzgerald * 1896
Walter Kappacher * 1938
Geburtstag
und auch der Filmemacher Pedro Almodóvar
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Viktor Blüthgen
Ach, wer doch das könnte!
Gemäht sind die Felder, der Stoppelwind weht
hoch droben in Lüften mein Drache nun steht,
die Rippen von Holze, der Leib von Papier;
zwei Ohren, ein Schwänzlein sind all seine Zier.
Und ich denk: So drauf liegen im sonnigen Strahl –
Ach, wer doch das könnte, nur ein einziges Mal!
Da kuckt‘ ich dem Storch in das Sommernest dort:
Guten Morgen, Frau Storchen, geht die Reise bald fort?
Ich blickt‘ in die Häuser zum Schornstein hinein:
Papachen, Mamachen, wie seid ihr so klein!
Tief unter mir säh‘ ich Fluss, Hügel und Tal –
Ach, wer doch das könnte, nur ein einziges Mal!
Und droben, gehoben auf schwindelnder Bahn,
da fasst‘ ich die Wolken, die segelnden, an;
ich liess‘ mich besuchen von Schwalben und Krähn
und könnte die Lerchen, die singenden, sehn,
die Englein belauscht‘ ich im himmlischen Saal –
Ach, wer doch das könnte, nur ein einziges Mal!
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Auf der Shortlist zum Deutschen Buchpreis 2020

Anne Weber: „Annette, ein Heldinnen-Epos“
Matthes & Seitz Verlag € 22,00
Anne Weber ist immer für eine Überraschnung gut. Und dieses Mal erreicht sie damit das Finale zum Deutschen Buchpreis. Zurecht, wie ich meine. Wie Christine Wunnickes Buch (das auch im Finale steht), ist es ein schmales Buch geworden. Sperrig steht es knallrot im Regal und nennt sich „Ein Heldinnen-Epos“. Nicht gerade verkaufsfördernd. Wenn wir das Buchaufschlagen, sieht es aus, wie in langes Gedicht, ein Epos. Mmmh?
Wenn wir aber zu Lesen beginnen, macht es peng und Sie kommen nicht mehr weg von dieser Lektüre über eine außergewöhnliche Frau, ein selbstbestimmtes Leben. Anne Webers leicht ironischer Ton, ihre flotte Schreibe, machen das Buch zu einem wirklichen Lesevergnügen.
Geboren wurde die Heldin 1923 in der Bretagne, aufgewachsen in einfachen Verhältnissen, schon als Jugendliche Mitglied der kommunistischen Résistance, Retterin zweier jüdischer Jugendlicher — wofür sie von Yad Vashem später den Ehrentitel »Gerechte unter den Völkern« erhalten wird –, nach dem Krieg Neurophysiologin in Marseille, 1959 zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt wegen ihres Engagements auf Seiten der algerischen Unabhängigkeitsbewegung… und noch heute an Schulen ein lebendiges Beispiel für die Wichtigkeit des Ungehorsams.
Das wär’n Ding, wenn das den Deutschen Buchpreis bekäme. Es passt haargenau in unsere Zeit, in der Courage gefordert ist