Donnerstag

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Nicht vergessen:
Freitag, 17.1. um 19 Uhr
Clemens Grote liest „Kühe in Halbtrauer“ von Arno Schmidt
Eintritt frei
Wir beginnen pünktlich
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Heute haben
Kurt Tucholsky * 1890
Karel Capek * 1890
Simone de Beauvoir * 1908
Heiner Müller * 1919
Klaus Schlesinger * 1937
Gisbert Haefs * 1950
Benjamin Lebert * 1982
Geburtstag.
Das ist mal eine illustre Gesellschaft.

Als Nachklapp zum Fest vor ein paar Wochen:

Kurt Tucholsky
Weihnachten

So steh ich nun vor deutschen Trümmern
und sing mir still mein Weihnachtslied.
Ich brauch mich nicht mehr drum zu kümmern,
was weit in aller Welt geschieht.
Die ist den andern. Uns die Klage.
Ich summe leis, ich merk es kaum,
die Weise meiner Jugendtage:
O Tannebaum!

Wenn ich so der Knecht Ruprecht wäre
und käm in dies Brimborium
– bei Deutschen fruchtet keine Lehre –
weiß Gott! ich kehrte wieder um.
Das letzte Brotkorn geht zur Neige.
Die Gasse gröhlt. Sie schlagen Schaum.
Ich hing sie gern in deine Zweige,
o Tannebaum!

Ich starre in die Knisterkerzen:
Wer ist an all dem Jammer schuld?
Wer warf uns so in Blut und Schmerzen?
uns Deutsche mir der Lammsgeduld?
Die leiden nicht. Die warten bieder.
Ich träume meinen alten Traum:
Schlag, Volk, den Kastendünkel nieder!
Glaub diesen Burschen nie, nie wieder!
Dann sing du frei die Weihnachtslieder:
O Tannebaum! O Tannebaum!

Und gleich noch eins hinterher:

Silvester

Im niedern Zimmer
zieht sich der Pfeifenrauch in dicken, blauen Schwaden.
Der Nachtsturm rüttelt an den Fensterladen;
die brave Lampe leuchtet mir wie immer.

Wie stets glüht mir der rote Wein
im festen Glase mit dem Kaiserbilde;
ein stiller Wein – er mundet mir so milde –
ich träum ins Glas – was spiegelt sich darein?

Vier lange Jahre.
Es hieß sich immer wieder, wieder ducken
und schweigen und herunterschlucken.
Der Mensch war Material und Heeresware.

Das ist vorbei.
Was ist uns nun geblieben?
Wo ist das Deutschland, das wir ewig lieben?
Wofür die Plackerei?

Für nichts.
Ich tue einen Zug – die Pfeife knastert –
Was hat man uns gebetet und gepastert –
Tag des Gerichts!

Und wißt ihr, wer uns also traf?
Der Koksbaron und der Monokelträger,
das Bürgerlamm und der Karrierejäger –
Ihr lagt im Schlaf.

So wacht heut auf!
Wir trugen unser Kreuz und jene ihre Orden
wir sind gestoßen und getreten worden:
Muschkot, versauf!

Vergeßt ihr das?
Denkt stets daran, wie jene Alten sungen!
Ich aber komm euch in Erinnerungen
ein volles Glas -!
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Fangen wir doch gleich mal mit einem Werbefilmchen für das Buch an:

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=d-rMJiSSqCM]

Nora Gantenbrink: „Verficktes Herz
Rowohlt Verlag € 12,99
als eBook € 10,99

Ganten

„Liebeskummer ist das größte Arschloch, das es gibt. Und das Problem ist, dass es so ein unlösbares Problem ist. Dass du ja nichts dagegen tun kannst. Außer warten. Die Lösung des Problems ist also: Das Warten muss gut sein, verdammt gut. Im Warten braucht es Yoga, braucht es Rausch, braucht es gute Geschichten und noch bessere Kurzgeschichten.“
Ein starker Start für diesen schmalen Band mit 14 Erzählungen, der 1986 geborenen Autorin, die mittlerweile als Journalistin für den Spiegel schreibt. Diesen Hauptberuf merkt man den Geschichten an. Sie sind flüssig geschrieben: knapp, präzise und auf den Punkt gebracht. Nora Gantenbrink schreibt über die Liebe in den verschiedensten Varianten, über Sex ohne Liebe, Verlust und Sehnsucht. Über ein Zuhause, die eigenen vier Wände und über Menschen, die keines haben. „Verficktes Herz“ ist dann auch gleich die erste Geschichte und mit so einem Buchtitel hat man natürlich einen Hingucker. Da war der Verlag pfiffig, hat das schmale Bändchen schön gestaltet und zum Hingucker gemacht.
Wo wir gerade den „Silvester“ von Kurt Tucholsky hatten; auch hier gibt es eine prima Silvestergeschichte, in der die Hauptperson zu einem privaten Fest zum Jahreswechsel eingeladen worden ist. Eigentlich aus Notlösung und auch ihr kommt es komisch vor, dass sie dorthin geht. Jedoch will sie sich nicht langfristig festlegen, sondern nur noch spontan den Jahreswechsel feiern. Die zwei Pärchen, die schon ums Essen sitzen, dürfen nicht reden, weil zu erst „Ekel Alfred“ in der Glotze kommt und dann „Dinner For One“. Also ein Muss für jeden Silvesterabend, der auch so zelebriert werden soll. Dies ändert sich jedoch schlagartig, als Bekannte des Wohnungsbesitzer, dessen Freundin das Sagen hat, das Zimmer stürmen, schwer angeschlagen sind und diverse Überraschungen im Gepäck haben. Die Silvesterfeier eskaliert, es kommt zu großen Streitereien, Zerwürfnissen, einer eingeschlagene Tür und die Polizei taucht auch noch auf. Aus dem trauten geplanten Zusammensitzen, wurde dann doch noch ne wilde Party.
Nora Gantenbrinks Erzählungen lesen sich in einem Rutsch weg. Sie überzeugen nicht immer, haben jedoch einen eigenen Ton und ich hoffe, wir dürfen noch mehr von der jungen Autorin lesen. Vielleicht nicht gleich einen Roman, aber noch ein Bändchen mit Geschichten fände ich sehr prima.

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