Donnerstag

Heute haben
Voltaire * 1694
Franz Hessel * 1880
und Veza Canetti * 1897
Geburtstag
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Und wieder ist die Landschaft vor meinen Fenstern weiss bepudert, wie die Tage zuvor.

Christian Morgenstern
Erster Schnee

Aus silbergrauen Gründen tritt
ein schlankes Reh
im winterlichen Wald
und prüft vorsichtig Schritt für Schritt,
den reinen, kühlen, frischgefallenen Schnee.
Und deiner denk ich, zierlichste Gestalt.
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Adam

Adam Thirlwell: „Der multiple Roman
Aus dem Englischen von Hannah Arnold
S.Fischer Verlag €24,99

Ja was ist das denn? Ein Buch mit über 500 Seiten, dessen Titel sich mir nicht erschließt, aber extrem neugierig gemacht hat. Dazu noch der auf dem Umschlag abgedruckte „Untertitel“:
Vergangene und zukünftige Abenteuer der Romankunst, verortet auf fast allen Kontinenten, in zehn Sprachen & mit einem gigantichen Ensemble von Schriftstellern, Übersetzern & anderen Phantasiewesen.
Also wenn das einen nicht wild macht, in dieses Buch reinzublättern, das dann im Englischen Original: „Miss Herbert“ heisst. Warum das denn? Wo sind denn all die Zusammenhängen, wo ist der rote Faden und was macht eigentlich die geschwungene Linie auf dem Umschlag?
Sie merken schon, eigentlich zu viele Fragen. Und trotzdem irgendwie reizvoll.
Ist es nun eine Romangeschichte? Nimmt mich der Autor an die Hand und führt er mich durch seine Literaturerfahrungen? Flaubert, Sterne, Nabokov, Joyce, Kafka, Gombrowicz und Proust sind unter anderem Autoren, an denen er sich festbeisst. Nicht zu vergessen: Roland Barthes und seine Ablehung des Romans.
Für mich war es immer dann noch reizvoller, wenn Thirwell über Autoren und Werke schrieb, die ich schon gelesen hatte. Irgendwie fühlte ich mich dann ein wenig daheim. Andererseits, wenn er über für mich Unbekanntes schreibt, stellen sich bei mir gleich alle Sensoren und ich hoffe, dass ich mir all die Literaturtipps merken kann, die aus dem Buch nur so herauspurzeln.
Es ist vielleicht an langer Essay über das Glück des europäischen Romans, die Tücken des Übersetzens, die Freude am Lesen und am Leben an sich. Wir erfahren, warum die Übersetzung von „Madame Bovary“ ins Englische einer gewissen Miss Herbert verloren ging, was es mit Nabokovs Lieblingsreisetasche auf sich hat und wieso uns die eigene Erfahrung stets überholt. Dazu bringte er Verbindungen ans Licht: Wer bei wem in der Vorlesung saß, welcher Autor dem anderen Schreibunterricht gab und viele Geschichtchen mehr. Dies allerdings nicht als eine Anreihung von Anektoden, sondern immer auf einem fundierten Niveau. Er schreibt über die Qual der Übersetzungen. Dass es viele Menschen gibt, die sich durch die Weltliteratur gelesen haben, aber meist durch die Übersetzungen von Weltliteratur. Mittlerweile wissen wir ja um die Qualität vieler solcher Schandtaten und freuen uns über den Trend, dass Klassiker wieder neu übersetzt werden. Dem Hanser Verlag sein Dank. (Dort gerade neu erschienen: Stevensons: „Schatzinsel“).
Thirwell lässt sich jedoch nicht greifen. Und wenn wir meinen, dass er tiefer in sein Roland Barthes-Kapitel einsteigt, dann schweift er ab, bringt neue Thesen aufs Papier, oder erzählt eine weiter unglaubliche Begebenheit aus der Litarturwelt. Die geschwungene Linie stammt übrigens aus Sternes: „Tristram Shandy“. Auch der ein ganz wilder Vogel, der seiner Zeit weit voraus war und einen festen Sitz im literarischen Elysium hat.
Ich könnte noch zeilenlang so weiterschreiben, oder dass sich ein roter Faden bildet. Aber genauso ist das Buch auch gehalten. Es hat zwar ein Inhaltsverzeichnis, nimmt sich tapfer ein genaue Struktur vor, aber weicht einfach mal links und rechts ab. Genauso wie bei meinem Büchertapel. Mal das eine Buch, dann doch lieber bei dem weiterlesen und da noch reingeschaut.
Adam Thirwell ist auf Lesereise. Das dürfte ein großes Vergnügen werden.

Hier können Sie in die ersten 24 Seiten des Buches reinlesen, das leider nur ein Lesebändchen hat (immerhin!), aber doch mindestens drei benötigen würde, damit wir all die Anmerkungen und Hinweise im Anhang immer im Griff hätten.
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Krackse hat sich an Zimtschnecken
überfressen und hat ein ganz komisches
Gefühl in der Nase.
(Johannesstraße, Hinterhof)

© Anette Grimmel // inspiriert durch „Augen auf!: Augen drauf“
ein Mitmachbuch von Katrin Felle

Gespannt! Dann einfach anklicken.

augen_auf_augen_drauf

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