Heute haben
Angelo Poliziano * 1454
Isaac B.Singer * 1904 (Nobelpreis 1978)
Natalia Ginzburg * 1916
Polina Daschkowa 1960
Geburtstag.
Aber auch Gustav Klimt und Ingmar Bergman.
Unser heutiger Lesetipp:
„Neue Rundschau 2015/2„
Herausgeber: Hans Jürgen Balmes, Jörg Bong, Alexander Roesler, Oliver Vogel
Briefe von Milena Jesenská aus dem Gefängnis
S.Fischer Verlag € 15,00
„Ich glaube, wenn ich einmal frei sein werde, ertrage ich die Freiheit gar nicht.“
Milena Jesenská
Durch einen überraschenden Fund in Prag wurden vierzehn Briefe entdeckt, die Milena Jesenská, die frühere Freundin und Geliebte Franz Kafkas, in der Gefangenschaft geschrieben hat. Gefunden durch eine Forscherin, die am Leben von Hora, der Tochter von Milena Jesenská, interessiert war. In den Akten des Geheimdienstes fanden sich Fotografien der Briefe, die Originale wurden vernichtet. Neben ein paar ganz wenigen Briefen, die schon bekannt waren, geben diese vierzehn Neuentdeckten einen Einblick in das Gefängsnisleben dieser Intellektuellen. Insgesamt wird vermutet, dass es wohl über 50 Briefe gewesen sein müssen. Nach der Zeit mit Kafka, wurde sie Journalistin, veröffentlichte eigene Texte, engagierte sich im Widerstand und bewegte sich in den Bohemekreisen in Prag.
Diese Briefe sind erschütternd, traurig und zeigen die Auswegslosigkeit des Lagerlebens. Wobei Milena Jesenská Freundinnen im Gefängnis hatte, die ihr zur Seiten standen. Aber allein die dauernden Bitten um Seife zeigen, wie es um die Gefangenen bestellt war. Sie schreibt auch, dass Hunger schon schlimm genug ist, aber vier Jahre Hunger sind kaum auszuhalten. Sie wird krank, bekommt schweres Rheuma und ihre Angst beruht darauf, dass sie nicht mehr zur Arbeit gehen kann. Was wohl dem Tod gleichen würde. Am 17.Mai 1944 starb sie in den Armen einer Freundin im Lager Ravensbrück.
Den vierzehn Briefen sind viele Informationen und Fußnoten beigefügt, die sowohl das Leben von Milena Jesenská, als auch ihr Umfeld beleuchten und ihr einen eigenen Namen geben, den wir bisher nur als die Freundin und Briefeschreiberin Milena gekannt haben. Auch steht ihr Verhältnis zu ihrem Vater in einem anderen Licht, als in der Kafka-Biografie von Reiner Stach. Allerdings beschreibt er auch einen viel früheren Lebensabschnitt.
Neben diesen Briefen finden sich in dem aktuellen Heft der Neuen Rundschau ein Kapitel über Moby Dick, im Lyrikradar Gedichte von fünf AutorInnen, ein Text zum Thema: „Liebe“ von Anne Weber, wunderbare Kurznotizen von John Berger, eine Rede von Michael Lentz zum neunzigsten Geburtstagvon Eugen Gomringer. „Die Rede ist vom Schweigen“ hat er sie betitelt und geht auf ein Ideogramm Gomringers ein, das dieser „Schweigen“ benannt hat. Eugen Gomringer hat „Ulmer Wurzeln“, war an der Ulmer Hfg tätig und seine Tochter Nora hat gerade den Ingeborg Bachmann Preis gewonnen. Neben einigen anderen Texten zu unterschiedlichsten Bereichen, findet sich auch noch ein Text über das Leben und Werk der amerikanischen Autorin, Friedensaktivistin und Feministin Grace Paley. Wir haben schon mehrfach ihr Werk gelobt, hier auf dem Blog vorgestellt und auf unserer „Ersten Seite“ im Laden daraus vorgelesen. Manuela Reicharts Text: „Die Kunst ist lang, das Leben kurz“ ist voller Textpassagen aus Paleys Werk und macht so richtig an, die Neuausgeben, die im Schöffling Verlag erschienen sind, in die Hand zu nehmen und darin zu blättern. Paleys Kurzgeschichten spiegeln den Alltag normaler Menschen, sind aber voller Witz, schräger Typen und auch mal schwer politisch unkorrekt. Hier gilt es eine große Autorin ein ums andere Mal neuzuentdecken.