Dienstag, 8.Mai

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Heute haben
Edmund Wilson * 1895
Gertrud Fussenegger * 1912
Thomas Pynchon * 1937
Pat Barker * 1943
Roddy Doyle * 1958
Geburtstag
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Aus dem Gedichtekalender

Carl Weitbrecht (1847-1904)
Wenn ich Abschied nehme…

Wenn ich Abschied nehme, will ich leise gehn,
keine Hand mehr drücken, nimmer rückwärts sehn.

In dem lauten Saale denkt mir keiner nach,
dankt mir keine Seele, was die meine sprach.

Morgendämmerung weht mir draußen um das Haupt,
und sie kommt, die Sonne, der ich doch geglaubt.

Lärmt bei euren Lampen und vergisst mich schnell!
Lösche meine Lampe!- Bald ist alles hell
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Sarah Wiltschek empfiehlt:

4064

Nina George: „Die Schönheit der Nacht
Droemer Knaur € 18,99

Claire ist Verhaltensbiologin und damit die Beste ihres Fachs. Sie ist kontrolliert, niemals emotional, hart mit sich selbst und unnahbar für andere. Claire ist Mitte vierzig und verheiratet mit einem, mal mehr, mal weniger erfolgreichen Filmkomponisten. Sie hat einen erwachsenen Sohn, Nicolas, der kurz davor ist, das Elternhaus zu verlassen. Einen letzten Sommer noch wollen sie zusammen in der Bretagne verbringen. Und so kommt Julie ins Spiel, Nicolas´ zwanzigjährige Freundin. Claire und sie sind sich schon einmal begegnet, bei einem ihrer Ausbruchsversuche aus der Ehe- und Mutterwelt: Mit einem Mann im Hotel, in dem Julie die Zimmer sauber macht.
Nina George lässt diese beiden Frauen, die, wie sie sie nennt, „werdende“ und die „gewordene“, auf einander los. Lässt vor allem in Claire eine unbändige Sehnsucht aufflammen, nach dem Leben wie es mal war, davor, vor dem Käfig des Gehorsam, des Funktionierens, des nicht mehr träumen Dürfens. Claire verfolgt deshalb jede Geste, jedes Verhalten der jungen Frau akribisch, will sehen, dass sie anpackt, was das Leben ihr vor die Füße gelegt hat: eine unglaubliche Singstimme, die Julie vor lauter Versagensangst versteckt hält.
Nina George befragt in ihrem Roman die Rolle der heutigen Frau. Fragt, wie es dazu kommt, dass Sehnsüchte und Träume begraben werden. Sie untersucht mit Claires wissenschaftlichem Blick die eingeübten weiblichen Gesten, die meist etwas devotes, niemals raumgreifendes haben. Sie lässt Claires Schauspieler-Schwester erzählen, wie sie beim Einüben einer männlichen Rolle die beste Zeit ihres Lebens verbracht und schlagartig keine Rückenschmerzen mehr hatte. Dass sie breitbeinig sitzen und mit ausladenden Gesten kommunizieren, sich frei machen konnte von allem, was beengt.
Nina George hat eine leichte Sommerlektüre geschrieben, die sich ordentlich abarbeitet an den festgefahren gesellschaftlichen Normen und Rollen. Manchmal ist Georges Sprache etwas überladen, zu viele Beschreibungen, zu viele bemühte Bilder, aber es ist ein Roman, der Emotionen wachrüttelt, Sehnsüchte und Träume illustriert und in dem die Protagonistin schließlich einen Neuanfang wagt. Wahrscheinlich ist „Das Geheimnis der Nacht“ eher ein Frauenroman. Aber wer weiß, vielleicht geht es Männern genauso?