Heute haben
Katherine Mansfield * 1890
E.E.Cummings * 1894
Péter Nádas * 1942
Geburtstag
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E. E. Cummings
I Like My Body When It Is With Your
i like my body when it is with your
body. It is so quite new a thing.
Muscles better and nerves more.
i like your body. i like what it does,
i like its hows. i like to feel the spine
of your body and its bones, and the trembling
-firm-smooth ness and which i will
again and again and again
kiss, i like kissing this and that of you,
i like, slowly stroking the,shocking fuzz
of your electric furr,and what-is-it comes
over parting flesh….And eyes big love-crumbs,
and possibly i like the thrill
of under me you so quite new
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Wolfgang Herrndorf: „Bilder deiner großen Liebe“
Rowowhlt Verlag € 16,95
E-Book €14,99
Verrückt sein heißt ja auch nur, dass man verrückt ist, und nicht bescheuert.
Vieles ist über den neuen, den letzten, den unvollendeten Roman von Wolfgang Herrndorf geschrieben und geredet worden. Jetzt taucht sein neues Buch auch noch hier auf. Das zurecht. Ich hatte bisher keine Zeit, das Buch zu lesen, habe immer die Ohren gespitzt, wenn im Laden darüber geredet wurde und war sehr gespannt, wie es denn nun wirklich ist. Grossartig kann ich nur sagen. Das, was uns Herrndorf hier hinterlassen hat, ist ein riesiger Grundstein für eine gekonnt komponierte Geschichte. Vieles hängt noch lose im Raum, es gibt jedoch jede Menge Formulierungen, Abschnitte und ganze Kapitel, die seine große Können zeigen.
Weil das viele Leute denken, dass die superkomplett bescheuert sind, die Verrückten, nur weil sie komisch rumlaufen und schreien und auf den Gehweg kacken und was nicht alles. Und das ist ja auch so. Aber so fühlt es sich nicht an, jedenfalls nicht von innen, jedenfalls nicht immer.
Isa kann die Sonne stoppen und Zeit anhalten (und das mit ihrem rechten Daumen), sie kann das Tor der Anstalt in Gedanken öffnen und schlüpft neben einem Laster in die Freiheit, die allerdangs genau gleich, wie innerhalb der Anstalt aussieht und nicht etwa schwarz und dunkel. Isa ist verrückt, aber nur manchmal und in Schüben. Aber was heisst schon verrückt. Wir kennen Isa als das Müllhaldenmädchen aus „tschick“ in die sich Maik verlieben wird. Auch in diesem Roman kommt es zu einem Treffen der drei Jugendlichen, jedoch aus einer anderen Sicht erzählt. Herrdorf schickt Isa auf eine (romantische) Wanderung durch Wälder und Siedlungen und an der Autobahn entlang. Sie springt auf einen Lastkahn und weiss nicht, ob der Kapitän wirklich ein Bankräuber ist. Sie trifft einen Schriftsteller mit grüner Trainingsjacke (= Herrndorf) auf einem Friedhof. Sie mäht gekonnt den Rasen, obwohl sie das noch nie gemacht hat. Wie in „tschick“ ist die Reise ein Vehikel, um Menschen zu treffen. Ging es bei den Jungs darum, in die Walachei zu fahren, erhofft sich hier Isa ein Stück eigenes Glück. Diese Treffen sind sehr unterschiedlich. Es gibt einen Fernfahrer auf Abwegen, einen Jugendlichen, der die Klappe nicht aufbekommt, eine totkranke Frau im Schlafzimmer eines Hauses, in dem sie sich Kleider heraussuchen kann. Isa trifft auf sie, wie ein Meteoriteneinschlag, sie wird mit ihnen konfrontiert und könnte sich nun bei ihnen einschmeicheln, sich verbiegen und einen großen Nutzen daraus ziehen. Isa bleibt sich jedoch treu, hat eine große Klappe und immer einen rotzigen, frechen lauten Spruch auf den Lippen. Lieber verschwindet sie im Wald, als dass sie zu den Angepassetn gehören will.
Als wir anlegen, wirft der Käpt`n mir ein Tau zu, dasichum einen Poller legen soll. Ich lege es im den Poller und laufe davon, in die warme Nacht hinein.
Sie schläft viel am Tage und geht bei Nacht. Sie verletzt sich an den Füssen, da sie ohne Schuhe aus der Anstalt geflohen ist und nun barfuß unterwegs ist. Die Schmerzen bleiben, die Schmerzen in ihrem Kopf kommen und gehen. Es sind keine wirklichen Schmerzen, es ist das andauernde Hoffen, irgendetwas zu finden, was vielleicht ein zuhause sein könnte.
Ich halte das Tagebuch wie einen Kompass vor mich hin. Pappelsamen schneien um mich herum, und der süße Duft der Lichtnelken strömt durch die Nächte. Ich sehe einen Wald, aus dem vier hohe Masten aufragen über die Baumwipfel. Am Waldrand steht eine kleine Hütte, die Teil eines Wanderwegs ist, wie drei eingekastelte Zeichen verraten. Ein schwarzer Gedankenstrich, eine gelbe Schlange, ein rotes Dreieck. Mein Name.
Bei einem Supermarktdiebstahl wird sie festgehalten, kann sich losreissen und rennt wieder weg. Weg, einfach nur weg und befindet sich dann inmitten des Autoverkehrs. Sie dreht sich weg, damit niemand sie weinen sieht.
Ich steige über elektrische Zäune und Stacheldrahtzäune oder krieche unter ihnen hindurch. Ich verdrille die Drähte oben und unten und steige durch die Raute. Ich gehe immer genau geradeaus. Wenn drei Meter neben mir ein Gatter ist, gehe ich da hindurch. Wenn es dreißig Meterentfernt ist, steige ich über den Zaun. Ich halte inne undsehe in einer Pfütze die Sterne sich spiegeln. Sie tanzenund zittern und kommen zur Ruhe. Regulus steht im Westen, später steht Arktur im Westen, dann Gemma, M13 undWega. Ich gehe zwischen den stummen Schatten der Kühe und Pferde hindurch, im Kreis der Gespenster, im Heer derNamenlosen. Ich fühle scharfen Kies unter den Sohlen. Ich sehe keinen Mond. Wenn ich Lichter sehe, laufe ich einengroßen Halbkreis. Die meisten Dörfer sind dunkel.
Wolfgang Herrndorf hat einen sehr warmherzigen Roman geschrieben. Einen Roman über Menschen und die Menschlickeit. Aber auch über das Ausgegrenzsein, das Nichtverstandenwerden und Weggesperrtwerden.
Einige Passagen kennen wir aus seinem Buchblog und aus seiner Biografie. So auch auch die Schlusszene, als Isa mit einer Pistole hantiert. Was ihr dabei gelingt, ist wahre Magie.
Marion Braschs Roman: „Herr Wunderlich fährt nach Norden“ ist ein Seelenverwandter und beide Bücher würden sich sehr gut im Bücherregal vertragen. Die beiden hätten allein schon deshalb genug Gesprächstoff, da Herrndorf über Isa schreibt und Frau Brasch über Herrn Wunderlich. Verdrehte Rollen und zwei Reisen die sich ähneln, wenn auch die Sprache eine ganz andere ist.
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Mehr von schreibenden Frauen gibt es am kommenden Freitag ab 19 Uhr bei uns in der Buchhandlung.
Sicher Sie sich eingutes Plätzle. Der Eintritt ist frei.