Heute haben
Philip Roth * 1933
Kirsten Boie * 1950
Geburtstag.
Aber auch Max Reger, Hans Küng, und Glenn Close.
______________________________
Heute auf dem Gedichtekalender:
Richard von Schaukal
Tauwetter
Die Dächer spiegeln blank;
von allen Rinnen klopfen
die trommelnden Tropfen.
O heller Klang!
Was willst du, junger Wind,
mit deinem wilden Wehn?
Laß mich entgegengehn
dem Frühlingskind!
_______________________________
John Lanchester: „Die Mauer“
Aus dem Englischen von Dorothee Merkel
Klett-Cotta Verlag € 24,00
„Es ist kalt auf der Mauer. Das ist das Erste, was einem jeder erzählt, und auch das Erste, was einem auffällt, wenn man dorthin versetzt wird. Das ist es, woran man die ganze Zeit denken muss, wenn man sich auf ihr befindet, und daran erinnert man sich, wenn man nicht mehr dort ist. Es ist kalt auf der Mauer. … Die Kälte hier ist mit keiner anderen Kälte vergleichbar. Sie durchdringt alles, als sei sie eine ständige materielle Eigenschaft dieses Ortes. Die Kälte ist eines seiner grundlegendsten Merkmale, sie wohnt ihm inne. Sie schlägt dir als gebündeltes Ganzes entgegen, wenn du das erste Mal zur Mauer kommst, am ersten Tag deines Einsatzes. Du weißt, dass du zwei Jahre dort sein wirst.“
So beginnt der neue Roman des 1962 geborenen Autors und Journalisten John Lanchester, der besonders durch sein Buch Kapital bei uns bekannt geworden ist.
Als den Roman zur Stunde sieht das deutsche Feuilleton „Die Mauer“. Themen wie der Brexit in Großbritannien, der geplante Mauerbau an der mexikanischen Grenze Donald Trumps, die Klimakatastrophe sowie die Flüchtlingswellen nach Europa drängen sich auf.
So könnte man das Buch durchaus lesen und kommt auch gar nicht umhin sich immer wieder diese Problematiken während der Lektüre zu vergegenwärtigen.
Gleichzeitig ist es aber eine düstere, in kühlem Ton erzählte Geschichte, die dem Leser vor allem die Vorstellung vermittelt, wie sich unsere zukünftige Welt anfühlen könnte, sollten wir so weitermachen wie bisher: Auf dieser Seite der Mauer, erbaut nach dem sogenannten, nicht weiter erklärtem „Wandel“, geht es den Menschen zumindest materiell gut. Sie haben ausreichend Nahrung, eine Arbeit. Die sozialen Strukturen sind klar umrissen. Es gibt Eliten, tätige Bürger und Dienstlinge. Gleichwohl scheinen die Menschen gefühlskalt und mechanisch bis in die Familien hinein miteinander umzugehen. Jeder Bürger dieses von einer 10.000 km langen Mauer umschlossenen Großbritanniens muss dort zwei Jahre Dienst als Verteidiger leisten. Verteidigt wird gegen die „Anderen“. Die, verzweifelt genug, versuchen über das Meer in die Versorgung garantierende Welt zu gelangen. Mehr erfahren wir nicht über sie. Die Verteidiger sollen dies verhindern. Gelingt es Ihnen nicht, was hin und wieder vorkommt, werden sie selbst aufs offene Meer ausgesetzt.
Erzählt wird aus der Perspektive des jungen Joseph Kavanagh, der an der Mauer seinen Dienst abzuleisten hat. Er findet unter den Leidensgenossen eine Gefährtin und malt sich eine Zukunft in der Elite aus. Es kommt jedoch anders als eine größere Gruppe der Anderen die Mauer überfällt und Joseph die sichere Seite der Mauer verlassen muss.
Das Buch wird unter Wert verkauft, wenn man ihm zumutet, das Buch zum Brexit zu sein. Für Lanchester ist die Mauer ein Faktum, das die Seelen verwandelt, die zentrale Tatsache inmitten von Wind, Himmel, Meer und Kälte; und diesem starken Bild verschafft er Präsenz.