
Heute haben
Lawrence Sterne * 1713
Carlo Collodi * 1826
Arundhati Roy * 1961
Geburtstag
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Unser heutiger Buchtipp:
Erich Hackl: “Dieses Buch gehört meiner Mutter“
Diogenes Verlag € 10,00
Das letzte Buch von Erich Hackl gibt es seit dieser Woche als Taschenbuch. Ist es ein Roman oder ein Gedicht?
Das Schriftbild lässt nicht auf normale Prosa schließen.
“So weit ich zurückdenken kann, hat meine Mutter von der Welt ihrer Kindheit und Jugend erzählt. Ich bin nun, nach ihrem Tod, darangegangen, mich dieser Welt zu versichern, sie mit ihrem Blick und in ihren Worten wahrzunehmen, und deshalb gehört dieses Buch meiner Mutter.”
Eigentlich war der Vater der bessere Geschichtenerzähler. Er konnte weglassen, pointieren und einen Knoten an seine Geschichten machen. Seine Mutter hingegen hat erzählt, wie sie es noch in Erinnerung hatte und lässt Geschichten auch mal offen enden. Genauso schreibt Erich Hackl dies auf und damit macht auch der Satzspiegel Sinn. Einzelne Erzählteile bilden Mosaiksteine für ein großes Ganzes. Wobei hier nicht das Große zählt, sondern die kleinen Steinchen, die ein gesamtes Mosaik abbilden von einem Landstrich in Österreich, an der Donau, nahe der tschechischen Grenze. Ein besonderes Buch, das wir mit immer größeren Ruhe lesen, obwohl es nicht gerade zimperlich in den Erzählungen seiner Mutter zugeht. Menschliche Schicksale, Tod und Kriege ziehen sich durch den Text.Erich Hackl schildert das Leben der kleinen Leute, spricht politische Fragen aus der Vergangenheit an.
Die Mutter zählt die fünf schlimmsten Dinge auf, die einer Frau passieren können. Und auf Platz eins landet: Ein uneheliches Kind zu bekommen. Gerade die Position der Frauen spielt eine zentrale Rolle in den Erinnerungen. Was machte ein Bauer mit Töchter? Für was waren sie zu gebrauchen? Es gab oft die Jüngste, die den besten Draht zum Vater, zum Bauern hatte, die ihn als Einzigste aus den Beizen holen konnte. Aber sonst?
Erich Hackl wird mit diesem Buch nicht auf den Bestsellerlisten landen. Wir als LeserInnen genießen aber jede Seite und tauchen immer mehr in diese verschwundene Welt ein. Eine Welt, in der es noch bunt und laut war, trotz all der grausamen Dinge, die damals geschahen. Heute ist alles ein grauer Einheitsbrei, oder so ähnlich schreibt Hackl im Nachwort.
“Als ich getauft werden sollte,
“schnell schnell, eh sie uns stirbt”,
lag meine Mutter im Wochenbett,
das sie sich in die Stube hatte stellen lassen,
des besseren Überblicks wegen.
“Sie soll Henriette heißen, merk dir das”.
sagte sie zum meinem Vater. Er nickte zerstreut,
…
In der Kirche fällt dem Vater vor lauter Schnaps und Durcheinander nicht mehr der aufgetragene Namen ein.
Da begann ich zu schreien, was meinen Vater belebte.
Sei Blick irrte durchs Kirchenschiff,
wanderte über die Säulen, die Bänke, den Opferstock,
streifte den Seitenaltarm blieb endlich haften
an der Muttergottes mit Kind. Seine Miene hellte sich auf.
“Maria”, sagte er mit rauher Stimme,
fragend zuerst, dann bestimmt. “Maria!”
…