Dienstag

Heute wird Philph Roth 80 Jahre alt und Newark, seine Geburtstadt und der Ort in vielen seiner Romane wird hoffentlich groß beflaggen. Der alte Meister der us-amerikanischen Literatur hat nach seinem letzten Roman gesagt, dass kein weiterer mehr folgen werde. An seinem Kühlschrank hängt wohl ein Zettel, auf dem so ungefähr steht: „Schluss mit dem Stress beim Bücherschreiben“.
Ich wünsche ihm von hier aus alles Gute.
Vielleicht bekommen wird doch immer wieder etwas neues, altes über den Hanser Verlag auf deutsch geliefert.
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Falke

Jamil Ahmad: „Der Weg des Falken
Übersetzt von Ditte und Giovanni Bandini
Hoffmann & Campe Verlag € 19,99

Mit seinen inzwischen 80 Jahren ist Jamil Ahmad einer der ältesten Literatur-Debütanten seit langem. Ahmad, 1933 im Punjab geboren, diente sein Leben lang als pakistanischer Staatsbeamter in der Verwaltung der entlegenen Provinzen in Belutschistan. Diese, von der Weltgeschichte abgschnittene Gegend, ist die Grundlage seiner neun Erzählungen, die in diesem Buch vereint sind.
Irgendwie sind sie los aneinandergereiht und doch gehören sie zusammen, was wir merken, wenn wir das Buch zuendegelesen haben.
Es sind die Stammesgebiete der nomadisierenden Clans in den unzugänglichen Grenzgebieten zu Afghanistan, eine Region, zu der Journalisten keinen Zugang haben und die seit langem als Synonym für Terrorismus, das Einsickern von Al-Qaida-Kämpfern und Dronen-Krieg gilt.
Es ist eine Welt, die uns mehr als fremd ist, die wir beim Lesen kaum begreifen können. Es sind die Nomadenstämme, die im Grenzgebiet von Pakistan und Afganistan „verheizt“ werden. Ihre Kamele bekommen keinen Zugang zu Wasser und verdursten zu tausenden. Eine Delegation von rebellierenden Belutschen geht auf einen Gesprächstermin mit der Regierung ein, wird sehr schnell entwaffnet und hingerichtet. Dies beschreibt Jamil Ahmad in einer so ruhige, sachlichen Sprache, dass ich diese Sätze zweimal lesen musste.
Die erste Erzählung spielt Mitte der 1960er Jahre in Belutschistan, im Grenzgebiet zwischen Iran, Afghanistan und Pakistan. Eine junge Frau, die Tochter eines Häuptlings aus dem Stamm der Siahpad, hat ihren impotenten Mann verlassen und ist mit ihrem Geliebten, einem Diener ihres Vaters, durchgebrannt. In einem entlegenen Grenz-Fort gewähren die pakistanischen Soldaten dem fast verdursteten Paar Unterkunft. Ein Sohn wird ihnen geboren. Doch nach Jahren wird die kleine Familie aufgespürt, der Mann erscheisst sie Frau, da er weiss, was ihr sonst passiert. Er selbst wird gesteinigt. Der kleine Junge überlebt.
Dieser Junge taucht immer wieder in den Erzählungen auf und ist so etwas wie ein roter Faden des Buches.
Über diese Gewalttaten lesen wir nichts in den Medien.
„Kein Zeitungsredakteur riskierte, sich ihretwegen eine Strafe einzuhandeln. In aller Regel suchten pakistanische Journalisten ihr Gewissen dadurch zu beschwichtigen, dass sie über das Unrecht schrieben, das den Menschen in Südafrika, in Indonesien, in Palästina und auf den Philippinen widerfuhr – aber nicht ihrem eigenen Volk. Kein Politiker riskierte es, verhaftet zu werden: Sie redeten zwar weiter über Menschenwürde und die Ausbeutung der Armen, aber das Unrecht, das gleich vor ihrer Haustür geschah, prangerten sie nicht an.
Es ist jedoch nicht nur die Gewalt der Regierung an den Nomaden. Die Stämme unter sich sind sich auch feindlich gesinnt und Blutrache gehört zum Alltag dazu.
Jamil Ahmad hat ein bewegendes Buch geschrieben, das sich hinter dem bekannten Roman: „Drachenläufer“ nicht zu verstecken braucht.

Leseprobe
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Rainer Moritz redet auf der Leipziger Buchmesse über
den kleinen Roman von Pierre Bost: „Ein Sonntag auf dem Lande„,
der hier auf dem Blog schon beschrieben worden ist.
Das schmale Buch ist ein Juwel unter all den Neuheiten.
Aber darüber können Sie ja Rainer Moritz beim Schwärmen zusehen.
Und schauen Sie mal die Anzahl der Zuschauer an.
Da müssen wir uns mit unseren kleinen Literaturveranstaltungen nicht zu verstecken.

http://www.3sat.de/mediathek/index.php?display=1&mode=play&obj=35464