Dienstag, 12.September

Heute haben
Johann Heinrich Jung-Stilling * 1740
Getrud Bäumer * 1873
Han Suyin * 1917
Stanislaw Lem * 1921
Michael Ondaatje * 1943
Geburtstag
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Winfried Hermann Bauer
Aufruhr

Hitze herrscht
Selbst unter Bäumen
Flirrt die Luft
Bäche rinnen über Bauch und Rücken
An den Beinen blüht der Brand
Schrunden, Schrammen, Narben
knochentrocken wie der Gottesacker
Draußen vor dem Wald
Aus dem die Hölle steigt
Und sich über die Welt zu stülpen scheint

Thor und Teufel
Wetterleuchten in der Wand
Reißen Äste aus den Bäumen
Ein Hammerschlag
Lässt Raum und Zeit erbeben
Es platscht und plattert
Peitschen knallen über Kronen
Stämme biegen sich, sie ächzen, stöhnen
Auch wenn der Engel letztlich fällt
Im Chaos keimt das Leben
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Unser Buchtipp:

Giuseppe Micciché: „NO PONTE
Edition Patrick Frey € 78,00

Der Fotograf Giuseppe Micciché hat sich in einer Langzeitstudie mit dem Phänomen einer Brücke von Sizilien auf das italienische Festland auseinandergesetzt.

„In den Sommerferien, in denen wir wie viele andere ins Ausland emigrierte Familien in unser Dorf zurückkehrten, waren der erste Geschmack der Heimat die Arancini, die es auf der Fähre vom italienischen Festland nach Sizilien zu essen gab. Von weitem sichtbar am anderen Ufer begrüsste uns die goldglänzende Madonnina, die Schutzpatronin von Messina.
Erst viel später begann ich mich für den Küstenstrich um Messina zu interessieren, der seit der Antike geografisch und geopolitisch grosse Bedeutung hatte. Die Distanz zum italienischen Festland ist hier so gering, dass die Idee einer Brücke zwischen den Ufern Kalabriens und Siziliens die Köpfe der Bewohner:innen seit Generationen obsessiv besetzt. Fasziniert von dieser Brücke, die auf keiner Landkarte verzeichnet ist, begann ich das Küstengebiet 2005 fotografisch zu dokumentieren. Bereits von Mussolini in den Kriegsjahren angekündigt, weckte das höchst umstrittene Brückenprojekt das Interesse Berlusconis, der es in seiner Amtszeit als Premier zu konkretisieren begann. Wiederholt wurde dieses gigantomanische Prestigeprojekt diskutiert, geplant und schliesslich wieder verworfen. Es wäre die bisher längste und höchste Hängebrücke der Welt – erbaut auf erdbebengefährdetem, sandigem Grund. Für die einen ein Sinnbild des wirtschaftlichen Aufschwungs Siziliens, schwebt die Brücke für die anderen wie ein Damoklesschwert über der Region und Italien.
Entstanden ist bei meinem Langzeitprojekt ein Porträt einer Region im Stillstand, im Zustand des gleichgültigen, frustrierten oder auch hoffnungsvollen Wartens. Es dokumentiert die Veränderung der (sub)urbanen Küstenabschnitte, die zögerlichen Versuche einer Aufwertung und zeigt Menschen in ihrem Alltag, wie die Fischer, deren Verdienst aus der Schwertfischjagd schon lange nicht mehr zum Leben reicht. NO PONTE ist ein Essay darüber, wie die Absenz von etwas uns so stark beeinflusst wie dessen Präsenz es tun würde. Ein Bild der Brücke wird in dieser Serie nie zu sehen sein. Die letzte Fotografie werde ich schiessen, wenn der Grundstein gelegt ist.“

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Am Wochenende gab es auf SWR2 ein 10minütiges Interview mit Luca Kieser, dessen Erstlingsroman auf der Longlist zum Deutschen Buchpreis steht und der am Donnerstag, 21.September ab 19 Uhr bei uns in der Buchhandlung daraus vorlesen wird.
Einfach den Link anklicken und reinhören.


https://www.swr.de/swr2/literatur/weil-da-war-etwas-im-wasser-der-debutroman-von-luca-kieser-100.html