Mittwoch, 6.September

Heute haben
Julien Green * 1900
Andrea Camilleri * 1925
Jennifer Egan * 1962
Geburtstag
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Gottfried Keller
Am fließenden Wasser

Ein Fischlein steht am kühlen Grund,
Durchsichtig fließen die Wogen,
Und senkrecht ob ihm hat sein Rund
Ein schwebender Falk gezogen.

Der ist so lerchenklein zu sehn
Zuhöchst im Himmelsdome;
Er sieht das Fischlein ruhig stehn,
Glänzend im tiefen Strome!

Und dieses hinwieder sieht
Ins Blaue durch seine Welle;
Ich glaube gar, das Sehnen zieht
Eins an des andern Stelle!
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Noch mehr Gedichte:


September
Gedichte ausgewählt von Evelyne Polt-Heinzl und Christine Schmidjell
Reclam Verlag € 6,00

Und schon ist wieder ein neuer Monat angebrochen. Es ist zwar tagsüber immer noch sehr warm und die Sonne strahlt, die Nächte sind jedoch kühl und frisch. Die Tage werden kürzer und wenn der Wecker klingelt, ist draußen noch finstere Nacht. Auf dem Markt gibt es frisches Gemüse und Obst, die Herbstblumen fangen an zu blühen.
Und wie jeden Monat stellen wir die kleinen Gedichtbändchen aus dem Reclam Verlag vor.
Passender wären vielleicht noch ein paar sommerliche Gedichte, aber eine Vorbereitung auf den Herbst kann nicht schaden.

Rainer Maria Rilke
Herbsttag

Herr: Es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren
und auf den Fluren laß die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten reif zu sein
gib Ihnen noch zwei südlichere Tage
dräng sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.

Friedrich Hebbel
Herbstbild

Dies ist ein Herbsttag, wie ich keinen sah!
Die Luft ist still, als atmete man kaum,
Und dennoch fallen raschelnd, fern und nah,
Die schönsten Früchte ab von jedem Baum.

O stört sie nicht, die Feier der Natur!
Dies ist die Lese, die sie selber hält,
Denn heute löst sich von den Zweigen nur,
Was von dem milden Strahl der Sonne fällt.

Theodor Fontane
Herbstmorgen

Die Wolken ziehn, wie Trauergäste,
Den Mond still – abwärts zu geleiten;
Der Wind durchfegt die starren Äste,
Und sucht ein Blatt aus bessren Zeiten.

Schon flattern in der Luft die Raben,
Des Winters unheilvolle Boten;
Bald wird er tief in Schnee begraben
Die Erde, seinen großen Toten.

Ein Bach läuft hastig mir zur Seite,
Es bangt ihn vor des Eises Ketten;
Drum stürzt er fort und sucht das Weite,
Als könnt‘ ihm Flucht das Leben retten.

Da mocht  ich länger nicht inmitten
So todesnaher Öde weilen;
Es trieb mich fort, mit hastgen Schritten
Dem flüchtgen Bache nachzueilen.
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