Mittwoch, 15.April

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Wenn der Laster rückwärts fährt und nix dabei bemerkt.

Heute haben
Wilhelm Busch * 1832
Henry James * 1843
Robert Walser * 1878
Erich Arendt * 1903
Tomas Tranströmer * 1931
Geburtstag
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Robert Walser
Wie immer

Die Lampe ist noch da,
der Tisch ist auch noch da,
und ich bin noch im Zimmer,
und meine Sehnsucht, ah,
seufzt noch wie immer.

Feigheit, bist du noch da?
und Lüge, auch du?
ich hör‘ ein dunkles Ja:
das Unglück ist noch da,
und ich bin noch im Zimmer
wie immer.
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César Rendueles: „Kanaillen-Kapitalismus“
Eine literarische Reise durch die Geschichte der freien Marktwirtschaft
Aus dem Spanischen von Raul Zelik
Edition Suhrkamp € 18,00

César Rendueles erkundet in diesem Buch seine persönliche Lesebiografie. Anhand von Klassikern wie Robinson Crusoe und Kultbüchern wie American Psycho zeichnet er nach, wie der Kapitalismus sich uns einverleibt hat. Doch zugleich kann in Büchern, das zeigt Rendueles etwa an Kleists Michael Kohlhaas und an Science-Fiction-Romanen, auch der Geist der Revolte und solidarischer Utopien stecken.
Ein Querschnitt durch die Weltliteratur von Hesiod (700 vor Christus) bis ins 21.Jahrhundert und immer verknüpft mit der Marktwirtschaft und besser gesagt dem Kapitalismus. Von den Romanen über Sklaverei zu den Werken über die brutale Monotonie in der Autoindustrie der USA in den 30er Jahren. Von der Entfremdung und Ausbeutung. Von der Kolonialsierung zu den beiden Weltkriegen. Es nimmt kein Ende und die Literatur begleitet diese Zustände und hält sie in Erinnerung.
Was bleibt?
Ein hoch interessanter Reigen von Romanen, die sich noch zu lesen lohnt und die Erkenntnis, dass wir Menschen auf einander aufpassen müssen. Von Regierungen, der Industrie, den Mächtigen ist diesbezüglich nichts zu erwarten.

Leseprobe

Dienstag, 14.April

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Heute haben
Martin Kessel *1901
Landolf Scherzer * 1941
Felix Kamphausen * 1944
Valerie Martin * 1948
Péter Esterházy * 1950
Geburtstag

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Die Erde ist rund –
aber man stößt sich an tausend Ecken.

Martin Kessel

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Sarah Wiltschek empfiehlt:

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Delphine de Vigan: „Dankbarkeiten“
Aus dem Französischen von Doris Heinemann
DuMont Verlag € 20,00

Ein ziemlich passendes Buch in dieser ziemlich unwirklichen Zeit: Michka ist alt und verliert immer mehr Wörter. Ihr Sprachgedächtnis schrumpft Tag für Tag. Und sie leidet, weil Schrift und Sprache ihr Leben war. Sie vergisst Dinge in der Gegenwart und kommt mit Maries Hilfe in einem Pflegeheim unter, in dem sich die Menschen, wider ihrer schlimmen Alpträume, liebevoll um sie kümmern. Insbesondere der Logopäde Jérôme.
Diese Geschichte einer demenzkranken Frau zeigt, wie lebenswichtig die Verbundenheit zu Angehörigen und wie unerlässlich die Arbeit und Zuwendung durch Pfleger*innen in unseren Seniorenheimen ist.
Michka verliert ihre Sprache, nicht aber ihr Gedächtnis von Ereignissen, die lange zurück liegen. Fast ein ganzes Leben: Zwei Menschen, die ihr als Kind das Leben gerettet haben. Zu denen ihre Mutter sie gebracht hat, um sie vor der Verfolgung durch die Nazis zu schützen. Diesen Menschen war sie ein völlig fremdes Kind. Eines, das sie bei sich aufgenommen und dabei ihr eigenes Leben riskiert haben. Ihnen will Mischka einmal noch Danke sagen, ehe sie geht.
Und so entsteht ein Kreis von Menschen, die sich gegenseitig in Dankbarkeit verbunden sind: Mischka mit zwei ihr unbekannten Menschen, die ihr über Jahre ein sicheres zu Hause gegeben haben. Marie mit Mischka, die sie mit Nahrung, Unterkunft und Liebe versorgt hat, während ihre eigenen Eltern das nicht konnten. Jérôme, der von Michka auf sein eigenes zerrüttetes Verhältnis mit seinem Vater gestoßen wird und der immer wieder erkennt, dass Menschen ihre Kindheitswunden ein ganzes Leben mit sich herumtragen. Kein Wunder insistiert Mischka unaufhörlich, Jérôme möge den Kontakt zu seinem Vater aufnehmen, koste es, was es wolle. Sie selbst hatte die Chance nicht.
Doch eine Chance bekommt sie am Ende doch noch: Sie kann ihren Dank weitergeben, mit zittriger, krakeliger Schrift, adressiert an einen anderen, sehr alten Menschen, irgendwo in einem anderen Seniorenheim des Landes.