Donnerstag, 9.April

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Heute haben
Charles Baudelaire * 1821
Ludwig Hohl * 1904
Lew Kopelew * 1912
Johannes Bobrowski * 1917
Carl Améry * 1922
Arnold Stadler * 1954
Geburtstag
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978-3-15-019114-9

„April“
Gedichte
Herausgegeben von Evelyne Polt-Heinzl und Christine Schmidjell
Reclam Verlag € 5,00

Im Wort April steckt das lateinische aprire = öffnen, so die Herausgeberinnen.
Hölderlin schrieb: Komm! ins Offene, Freund!

Manche meinen auch, daß apricus = sonnig darinstecken könnte.
Aber dieser April wird anders als viele andere vor ihm.
Wir sollten zu Hause blieben. Die Sonne genießen. Aber die Familien ein ander Mal besuchen. Ja, so ist es dieses Jahr.

Zartes Grün und erstes Zwitschern
Launischer April
Launische Menschen
Karwoche
Ostern
Jetzt wird’s warm

So sind die einzelnen Kapitel überschrieben.
Viel Vergnügen bei der Lektüre.

Nikolaus Lenau
Frühlingsgedränge

Frühlingskinder im bunten Gedränge,
Flatternde Blüten, duftende Hauche,
Schmachtende, jubelnde Liebesgesänge
Stürzen ans Herz mir aus jedem Strauche.
Frühlingskinder mein Herz umschwärmen,
Flüstern hinein mit schmeichelnden Worten,
Rufen hinein mit trunkenem Lärmen,
Rütteln an längst verschlossenen Pforten.
Frühlingskinder, mein Herz umringend,

Was doch sucht ihr darin so dringend?
Hab ichs verraten euch jüngst im Traume,
Schlummernd unter dem Blütenbaume?
Brachten euch Morgenwinde die Sage,
Daß ich im Herzen eingeschlossen
Euren lieblichen Spielgenossen,
Heimlich und selig – ihr Bildnis trage?

Eduard Mörike
Zitronenfalter im April

Grausame Frühlingssonne,
Du weckst mich vor der Zeit,
Dem nur in Maienwonne
Die zarte Kost gedeiht!

Ist nicht ein liebes Mädchen hier,
Das auf der Rosenlippe mir
Ein Tröpfchen Honig beut,
So muss ich jämmerlich vergehn
Und wird der Mai mich nimmer sehn
In meinem gelben Kleid.

Friedrich Hölderlin
Der Gang aufs Land

An Landauer

Komm! ins Offene, Freund! zwar glänzt ein Weniges heute
Nur herunter und eng schließet der Himmel uns ein.
Weder die Berge sind noch aufgegangen des Waldes
Gipfel nach Wunsch und leer ruht von Gesange die Luft.
Trüb ists heut, es schlummern die Gäng‘ und die Gassen und fast will
Mir es scheinen, es sei, als in der bleiernen Zeit.
Dennoch gelinget der Wunsch, Rechtglaubige zweifeln an Einer
Stunde nicht und der Lust bleibe geweihet der Tag.
Denn nicht wenig erfreut, was wir vom Himmel gewonnen,
Wenn ers weigert und doch gönnet den Kindern zuletzt.
Nur daß solcher Reden und auch der Schritt’ und der Mühe
Wert der Gewinn und ganz wahr das Ergötzliche sei.
Darum hoff ich sogar, es werde, wenn das Gewünschte
Wir beginnen und erst unsere Zunge gelöst,
Und gefunden das Wort, und aufgegangen das Herz ist,
Und von trunkener Stirn‘ höher Besinnen entspringt,
Mit der unsern zugleich des Himmels Blüte beginnen,
Und dem offenen Blick offen der Leuchtende sein.

Denn nicht Mächtiges ists, zum Leben aber gehört es,
Was wir wollen, und scheint schicklich und freudig zugleich.
Aber kommen doch auch der segenbringenden Schwalben
Immer einige noch, ehe der Sommer, ins Land.
Nämlich droben zu weihn bei guter Rede den Boden,
Wo den Gästen das Haus baut der verständige Wirt;
Daß sie kosten und schaun das Schönste, die Fülle des Landes
Daß, wie das Herz es wünscht, offen, dem Geiste gemäß
Mahl und Tanz und Gesang und Stutgards Freude gekrönt sei,
Deshalb wollen wir heut wünschend den Hügel hinauf.
Mög‘ ein Besseres noch das menschenfreundliche Mailicht
Drüber sprechen, von selbst bildsamen Gästen erklärt,
Oder, wie sonst, wenns andern gefällt, denn alt ist die Sitte,
Und es schauen so oft lächelnd die Götter auf uns,
Möge der Zimmermann vom Gipfel des Daches den Spruch tun,
Wir, so gut es gelang, haben das Unsre getan.

Aber schön ist der Ort, wenn in Feiertagen des Frühlings
Aufgegangen das Tal, wenn mit dem Neckar herab
Weiden grünend und Wald und all die grünenden Bäume
Zahllos, blühend weiß, wallen in wiegender Luft,
Aber mit Wölkchen bedeckt an Bergen herunter der Weinstock
Dämmert und wächst und erwarmt unter dem sonnigen Duft.

Mittwoch, 8.April

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Heute haben
Johann Christian Günther * 1695
Emile Cioran * 1911
Christoph Hein * 1944
Eva Heller * 1948
Geburtstag.
Aber auch Jacques Brel, Kofi Annan, Vivienne Westwood.
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Thomas Dietrich
Ostern 2020

Ja, sie kommt, die Osterfeier:
Schokohasen, bunte Eier,
Osternester, Süßigkeiten
Freude Groß und Klein bereiten.

Christ, der Herr, sei auferstanden,
feiern viele in den Landen.
Wohingegen andre meinen,
Hauptsach‘ ist, die Sonn‘ tut scheinen.

Gottesdienste, Onkel, Tanten,
und die Treffen mit Verwandten
machen diese Tage aus.
Diesmal wird wohl nichts daraus!

Ja, wir bleiben brav zu Hause,
Treffen haben weiter Pause,
denn es ist noch nicht vorbei:
Darauf pell‘ ich mir ein Ei.

Ich will Ostern, auch alleine.
Daran kann mich hindern keine
Krise und auch keine Seuche,
der gedanklich ich entfleuche.

Und da kommen darf kein B’such
greife ich zum x-ten Buch.
Lese, wie vom Eis befreit
Frühling flattert blau allzeit.

Sehe Sonne, klaren Himmel,
hör‘ der Vögel munt’res G’wimmel,
freue mich an meinem Leben:
Ostern wird es weiter geben!
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9783956143557_3d

Alex Wheatle: „Home Girl“
Aus dem englischen von Conny Lösch
Kunstmann Verlag € 18,00

„Home Girl“ ist so rasant und lustig, zärtlich, tragisch und voller Courage wie seine Heldin Naomi.
Nach seiner Crongton-Trilogie (einem Brennpunktstadtteil in London) war ich sehr gespannt auf sein neues Buch. Wheatle hat ein Tempo, einen Witz in all dem täglichen Kampf ums (Über)leben in einer schwierigen Zeit für Kinder und Jugendliche. Und: Er liebt seine Figuren. Irre.
„Home Girl“ erzählt von einer Jugend im Fürsorgesystem, von tiefen Verletzungen und enttäuschten Hoffnungen, von gerechter Wut und schlechten Entscheidungen, von Rassismus und verfehlter Politik, von falschen Freunden und davon, wie Fremde zu Familie werden und, trotz allem, nach Heim über Heim, ein Zuhause entstehen könnte.
Naomi ist erst 14, hat aber schon mehr erlebt, als die meisten Erwachsenen aushalten würden. Dies kompensiert sie, in dem sie redet und redet. Sie hüpft von Thema zu Thema, provoziert und fliegt aus jeder Pflegefamilie. Die letzte Rettung sind übergangsweise die Goldings. Sie haben schon zwei Pflegekinder. Colleen und Tony Golding sind schwarz und eigentlich ziemlich cool für Pflegeeltern. Sharyna und Pablo, ihre neuen Geschwister, sind sogar mehr als okay. Nur mit Kim und Nats, ihren Freundinnen, läuft es irgendwie nicht mehr ganz so gut, und langsam muss sich Naomi die Frage stellen, ob sie ihnen noch vertrauen kann.
Ein tolles Jugendbuch.

Alex Wheatle wurde 1963 in Brixton geboren und wuchs größtenteils in einem Kinderheim auf. Mit 16 gründete er ein Reggae Soundsystem und trat unter dem Namen Yardman Irie auf. Während der Brixton Riots wurde er verhaftet und verbrachte einige Zeit im Gefängnis, wo er seine Liebe zur Literatur entdeckte. Er hat mehrere von der Kritik gefeierte Romane veröffentlicht, bevor er sich der Jugendliteratur zuwandte. Er lebt mit seiner Familie in London.