Freitag, 28.Juni

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Heute haben
Luigi Pirandello *1867
Helen Keller * 1880
Frank O’Hara *1926
Rafael Chirbes * 1949
Geburtstag
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Anna Louisa Karsch  (* 01.12.1722, † 12.10.1791)
An den Wein

Wein! ich möchte dich bald haßen,
Ich bin deiner Allmacht feind,
Denn du willst mir meinen Freund
Immer nicht vom Becher lassen.
Du bist meiner Freuden Dieb,
Könnt ich dich doch ganz verachten.
Milon hat dich gar zu lieb,
Und mich läßt er schmachten. –
Loben wollt ich die Begier,
Wein zu trinken halbe Nächte,
Wenn mein Milon nur mit mir
Manchen Abend zechte;
Aber nun trinkt er den Wein
Mit den Männern ganz allein.
Ha ihr Männer, ha ihr Zecher,
Amor jag euch von dem Becher
Durch die Pfeile, die im Köcher
Aufgesammlet sind zur Pein
Aller Herzenbrecher.
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Ehemaenner von Jami Attenberg

Jami Attenberg: „Ehemänner“
Aus dem Englischen von Barbara Christ
btb € 11,00

„Die Middlesteins“ waren ein schöner Erfolg. Das Nachfolgebuch „Saint Mazie“ ging leider etwas unter. Jetzt gibt es ihren ersten Roman bei uns als Taschenbuch. Etwas zögerlich ging ich an den ersten Roman der Autorin ran, da solche Rückgriffe oft nicht glücklich sind. Hier jedoch – weit gefehlt. Jami Attenbergs Erzählduktus, ihr Witz und Aktualität zeigt sich hier schon.
Allein der Einstieg, als Martin Miller, der Künstler und Ehemann von Jarvis in seinem Atelier von der Leiter und ins Koma fällt, ist schon sehr komisch und böse.
Was danach kommt ist Jarvis‘ Trauer, das Zurückziehen aus und Abschotten von der Welt. Erst ein Treffen mit drei attraktiven jungen Männern, jungen Vätern in einem Waschsalon lässt die ehemals flippige Jarvis auftauen und wieder zurückkehren in das Treiben im Stadtteil Williamsburg in Brooklyn. Jami versteht es sehr gut diese Künstlerszene zu beschreiben. Wir sehen förmlich die Typen, wie sie am Tresen hängen und sich wichtig geben.
Mit neugelerntem Schwung versucht Jarvis Tritt zu fassen. Die Bilder ihres Mannes werden (durch sein Koma) immer wertvoller und begehrter. Als Martins Agentin eine Gesamtschau in der MoMA organisieren will, sichtet Jarvis das Gesamtwerk ihres Mannes. In diversen Schuhkartons findet sie kompromittiernde Fotos, die ihre Sicht auf ihren Mann komplett verändert. Diese Initialzündung veranlasst sie, sich dem wirklichen Leben nicht mehr zu verschließen und Probleme direkt und kompromisslos anzugehen. Das passt natürlich nicht allen, die Kapital aus dem Werk ihres Mannes schlagen wollen.
Gleichzeitg verschärft sich die Lage um ihren komatösen Mann, nachdem bekannt geworden ist, dass Jarvis ihn von allen Maschinen abschalten lassen will.
Ein bisschen viel für einen Roman, meinen Sie vielleicht. Ja, könnte schon sein. Aber Jamie versteht es perfekt diese unterschiedlichen Stränge intelligent zu bündeln und die Geschichte(n) schneller werden zu lassen. Immer intensiver und lauter werden die letzten Kapitel. Aktuell, kritisch, kritisierend endet dieser Roman, der mit einem Paukenschlag begonnen hat und mit einem Feuerwerk endet.

Donnerstag, 27.Juni

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Heute haben
Frank O’Hara * 1926
Joao Guimaraes Rosa * 1908
Rafael Chirbes * 1949
Geburtstag
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Christian Morgenstern
Butterblumengelbe Wiesen

Butterblumengelbe Wiesen,
sauerampferrot getönt, –
o du überreiches Sprießen,
wie das Aug dich nie gewöhnt!

Wohlgesangdurchschwellte Bäume,
wunderblütenschneebereift –
ja, fürwahr, ihr zeigt uns Träume,
wie die Brust sie kaum begreift.
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Raymond Queneau: „Zazie in der Metro“
Aus dem Französischen übersetzt, mit Anmerkungen
und einem Nachwort versehen von Frank Heibert
Suhrkamp Verlag € 22,00

„Waschtinkndiso“ lautet das erste Wort in diesem zuerst 1959 in Frankreich veröffentlichte Roman. Hä? Wassolldasdennheissen? Wenn wir weiterlesen wird es uns klar: „Was stinkt denn die so?“, lautet die Frage bei diesem Klassiker der französischen Literatur. Und auf solche Wortspielereien müssen uns einstellen.
Frank Heibert, den wir als Übersetzer von hochkarätiger amerikanischer Literatur kennen, hat sich den Text vorgenommen. Was dabei herausgekommen ist, sieht aus wie eine entstaubte Version und was noch viel lustiger ist: In dieser Version fährt Zazie tatsächlich mit der Metro. In der bisherigen Ausgabe wird sie ja bestreikt und Zazie kann toben wie sie will, sie macht zwar Paris unsicher, bringt Großmutter, Onkel und Freunde durcheinander, setzt aber keinen Fuß in die heißbegehrte Metro.
Raymond Queneau ist bekannt für seine besondere Art mit Sprache umzugehen und auch hier zeigt er sich großmeisterlich und stellt den Inhalt in die zweite Reihe, so dass einige Ungereimtheiten bleiben. Aber so ist es halt, wenn Zazie Metro fahren will, stattdessen die Welt ihrer zwielichtigen Verwandschaft kennenlernt.
Ein großartiger Spaß, ein besonderes Lesevergnügern, auch nach einem halben Jahrhundert nach Erscheinen der Erstausgabe.

Leseprobe

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Am kommenden Dienstag, den 2.Juli liest Clemens Grote wieder aus vier Romanen.
In unserer Reihe „Die erste Seite“ stellen wir vor:

Erika Fatland: Die Grenze
Colson Whitehead: Die Nickel Boys
David Mendelsohn: Eine Odyssee
Vincent Almendros: Ins Schwarze

Wir beginnen pünktlich um 19 Uhr und hoffen, dass es nicht mehr so heiss ist.