Dienstag, 7.März

Heute haben
Alessandro Manzoni * 1786
Paul Ernst * 1866
Milo Dor * 1923
George Perec * 1936
Robert Harris * 1957
Breat Easton Ellis * 1964
Joanne Harris * 1964
Geburtstag
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Paul Ernst
Völker und Zeiten im Spiegel ihrer Dichtung
Indische Lyrik 1911


Berauscht vom Honig sät im Mangobaum
Der Kuckuck Küsse auf die Blüten nieder,
Die Bienen überm Lotus summen schwärmend
Und taumeln trunken tief in den Geliebten.
Die Mango-Blütenzweige schwanken tief,
Die rötlichen, von Blumentrauben schwer;
Ein sanfter Wind bewegt sie und bewegt
Der Frauen Sinn zu lauter Liebeslust.

Das letzte Geheimnis fremder Lyrik wird ja niemand erraten, denn das liegt in der Sprache verborgen, und die schönste Übersetzung kann immer nur eine Ahnung von ihm geben, etwa wie die Photographie von einem Bilde. Aber auch so gewährt das zierliche Heft eine reine dichterische Freude und einen schönen, klaren Genuß.
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David Van Reybrouck:Zink
Aus dem Niederländischen von Waltraud Hüsmert
Suhrkamp Verlag € 10,00

Die Zinkhütte von Kelmis im Mikrostaat Neutral-Moresnet / Quelle: SSPL via Getty Images

Im Mittelpunkt der 70 Seiten steht Neutral-Moresnet, eine Mikronation zwischen den Niederlanden bzw. Belgien und Preußen bzw. dem Deutschen Reich, die von 1816 bis 1919 Bestand hatte. Schon die wechselnden Namen der Nachbarstaaten erinnern an die kriegerische Vergangenheit des Kontinents.
Van Reybrouck erzählt die Geschichte des knapp vier Quadratkilometer umfassenden Territoriums einerseits sehr persönlich. Er nimmt sich einzelne Schicksale vor und verfolgt sie von der Geburt bis zum Tode. Er geht in Altersheime, redet mit uralten Bewohner des kleinen Landes, das so oft hin und her gerissen worden ist, wie seine Mitbewohner.
Gleichzeitig hat er wohl auch viele Akten und Archive durchforstet, Lexika gewälzt und im Netz recherchiert. Was dabei herauskam, ist eine aberwitzige Geschichten mitten in Europa, mitten in der Geschichte zwischen den zwei Weltkriegen. Wirtschaft, Politik, Esperanto, Leben und Sterben, Schmuggel und Prostitution baut er zu einem großen Kosmos im Kleinen zusammen und läßt uns erahnen, wie es diesen Menschen in diesem kleinen Flecken Erde ergangen sein mag. Skuril für uns nach all der langen Zeit, dramatisch sicherlich für die Menschen, die plötzlich gegen Freunde und Bekannte in den  Krieg ziehen mußten, weil die Staatsangehörigkeiten zu konfus waren.
Daß es das Land des Esperanto werden sollte, klingt dagegen schon sehr entspannt und es hätte dann „Amikejo“ geheißen: „Ort der Freundschaft“.

Mehr über das Buch erfahren sie sachkundig in der Buchbesprechung des SWR.
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Werner Färber Ungereimtheit der Woche
Allergische Reaktion

Allergisch war er gegen Nüsse
schon seit einer Ewigkeit.
Zugleich genoss er ihre Küsse,
egal zu welcher Tageszeit.
Nach intensivem Nussgenuss
verführte sie zum Schmusen ihn.
Nach ihrem langen, heißen Kuss
fand er kein Antihistamin …

Dienstag, 21.Februar

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Heute haben
Henry Longfellow * 1807
John Steinbeck * 1902
James Farrell * 1904
Lawrence Durrell * 1912
Geburtstag
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Irgendwie auch aktuell:

Arno Holz
Amerika

Oft frag ich lachend mich, weswegen
Mit Lanzen, Schwertern, Spießen, Keulen
Dies todesfrohe Kämpfen gegen
Concessionirte Eiterbeulen?

Wie lang noch, und das Dunkel frißt
Europas letzte Gaslaternen,
Denn das Panier der Zukunft ist
Das Streifenbanner mit den dreizehn Sternen.
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Jean-Luc Seigle: „Ich schreibe Ihnen im Dunkeln
Aus dem Französischen von Andrea Spingler
Beck Verlag € 19,95

Wie schon in seinem ersten Roman im Beck Verlag: „Der Gedanke an das Glück und an das Ende“, versteht es Jean-Luc Seigle mit seiner einfühlsamen Sprache Dramatisches ruhig zu erzählen. Auch in diesem Roman dauerte es wirklich einige Seiten, bis ich warm wurde mit dem Thema. Der Autor nähert sich von verschiedenen Seiten der Hautperson Pauline. Daß sie wegen Mordes zu lebenslänglich verurteilt worden ist und neun Jahre davon abgesessen hat, können wir auf dem Klappentext lesen. Was aber sonst noch dahintersteckt, wird erst nach und nach sichtbar. Blatt für Blatt offenbart sich das Geheimnis, die Vorkommnisse, die an Brutalität nicht zu überbieten sind. Brutal nicht wie bei einem Thriller, der gewollt auf Schockszenen aus ist. Nein, Seigle erzählt subtil und doch trifft er uns voll. Mir wurde schwindelig allein bei der Vorstellung. Die Vorstellung, was sich in Köpfen von Menschen, hier meist von Männern, abspielt und wie diese Gedanken in die Tat umgesetzt werden.
Pauline hat zwei ihrer drei Brüder im Krieg verloren, die Mutter fällt in eine tiefe Depression, der Vater übertüncht seine Trauer. Als Pauline ihre Weiblichkeit entdeckt, stürzt sie sich in jugendlichem Alter in viele sexuelle Abenteuer, die ihr Jahre später zu Verhängnis werden.
Der Zweite Weltkrieg kennt keine Gewinner. Und so hat die Familie zwar zwei Helden, die jedoch auf dem Friedhof liegen. Und als die junge, hochintelligente Pauline eine Anstellung bei einem deutschen Militärarzt, der Deutsche und Franzosen behandelt,  erhält, bekommt sie die Folgen der brutalen Gewalt zu spüren. Hautnah kommt sie mit verwundeten, entstellten, sterbenden Soldaten in Kontakt und versucht zu helfen, wie und wo es nur geht. Als der Krieg zu Ende ist, steht es plötzlich ganz anders um Pauline, die sich mit dem deutschen Arzt eingelassen hat.
Jean-Luc Seigle beleuchtet den tatsächlichen Vorfall, den wirklich stattgefundenen Mordprozeß, auf den ich hier nicht näher eingehe, aus seiner Sicht. Er „verwendet“ dabei verschollene Aufzeichnungen von Pauline, die er jedoch nie zu Gesicht bekommen hat. Wir erfahren, was mit dem jungen Mädchen passiert ist. Die Mischung aus Erniedrigungen und Gewalt und ihre unbändige Suche nach Nähe und Liebe, ihre ständige Sehnsucht nach Geborgenheit und Glück werden ihr zum Verhängis. Sie stirbt sozusagen mehrfach in diesem Roman. Bis zum Schluß genießt sie die magischen Sonnenuntergänge in Marokko, wo sie unter falschem Namen untergetaucht ist. Sie fühlt sich jedoch von allen verraten und abgewiesen, so daß ihr ein Weiterleben nicht möglich ist.
Pauline wurde nur 36 Jahre alt.

Leseprobe
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Werner Färber Ungereimtheit der Woche

Kräuerfrau

Eine Frau, die Kräuter kannte,
heilte gern Menschen, welche krank.
Ein Dummkopf sie ’ne Hexe nannte,
worauf ihr Anseh’n heftig sank.

Da niemand wusste, wie sie’s machte,
war plötzlich Misstrauen geweckt.
Auch weil sie fröhlich war und lachte,
wirkte von nun an sie suspekt.

Ehe samt Besen sie würd‘ brennen,
war sie auf ihm davongeflogen.
Denn wenn die Leute was nicht kennen,
handeln sie häufig überzogen.

Mittwoch, 15.Februar

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Heute haben
Johann Jakob Wilhelm Heinse * 1746
Elke Heidenreich * 1943
Miranda July * 1974
Geburtstag
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Jörg Mühle:“Tupfst du noch die Tränen ab
Moritz Verlag € 8,95
Kleines Pappbilderbuch ab 2 Jahren

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Hei, der dritte Band von Hasenkind ist eingetroffen. Nach dem Schlafengehen, dem Haarewaschen ist Hasenkind jetzt hingefallen und hat sich dolle wehgetan. Aua! Die ersten Tränen fließen und vielleicht hilft ja dreimal pusten. Aber dann kommt sogar noch Blut! Ganz schlimm. Jetzt hilft nur noch ein Pflaster, das wir Hasenkind ganz fix auf den Arm kleben müssen. Zaubersprüche und Rücken streicheln helfen nicht sofort, aber es wird von Seite zu Seite besser, bis Hasenkind sich den Dreck abklopft und weiterflitzt.
Wie in den Vorgängerbücher werden wir aufgefordert aktiv mit Hasenkind etwas zu tun. Streicheln, rufen, klatschen, Sprüche sagen. Am meisten bin ich ja gespannt, wenn hier die Kinder sich kräftig schnäuzen sollen. Also gleich mal n Taschentuch bereithalten.
Jörg Mühle schafft es auch im dritten Aufguß uns mit diesem kleinen Trostbuch restlos zu begeistern und ein Exemplar ging schon ans Enkelkind nach Berlin.

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Werner Färbers Ungereimtheit der Woche
Der Stör CXCII

Der Fische zwei hocken am Tisch,
der eine spricht, der andre hört,
vertieft sind somit Fisch und Fisch
ins Gespräch ganz ungestört.

Es kommt ein dritter Fisch hinzu
und blubbert einfach so dazwischen.
Zerstört ist das Gespräch im Nu
zwischen den vertieften Fischen.

Sie blicken auf den Stör empört,
doch der merkt nicht, dass er stört.

Dienstag, 7.Februar

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Heute haben
Thomas Morus * 1477
Charles Dickens * 1812
und Sinclair Lewis * 1885
Geburtstag
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Emmanuel Guibert:Martha und Alan
Die Geschichte einer Jugendliebe
Aus dem Französischen von Christoph Schuler
Edition Moderne € 24,00

Zum dritten Mal stellt der französische Comiczeichner Emmanuel Guibert Alan Cope in den Mittelpunkt eines Romanes, einer Graphic Novel. Wir sind in Kalifornien der 30er Jahre und Alan verbringt Stunden mit seiner Freundin Martha. Es sind kleine Begebenheiten, wie Kinderspiele, oder Vögel beobachten oder auf Bäume klettern. Danach das Glas Milch, das Alan von Marthas Mutter zu trinken bekommt. Alans Mutter verbietet ihm allerdings den Umgang mit dem Mädchen, was ihn jedoch nicht daran hindert, sich mit Martha zu treffen.
Die Zeiten ändern sich, Alan zieht in den Krieg. Es kommt zu kurzen Treffen und einem Klavierspiel. Plötzlich hat sich viel geändert und wir wissen nicht warum. In der Mitte des Buches gibt es Bild mit einer Weggabelung, das sinnbildlich für die beiden Biografien steht. Der Faden ist gerissen, Alan bleibt in Europa, kann Martha jedoch sein ganzes Leben nicht vergessen. Bis er in hohem Alter beschließt, den Kontakt zu ihr wieder aufzunehmen. Und: Es klappt. Martha schreibt ihm zurück. Ein wunderschöner Brief voller Nähe und Freude. Der Roman endet jedoch anders, als Sie es sich vielleicht vorstellen. Wenn Sie das Buch zuschlagen, bleibt ein wohlig warmes Gefühl, auch ein Gefühl der Melancholie zurück.

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„Das Leben gleicht einer Reise durch aneinander gereihte Kreise, jeder davon enthält bestimmte Entwicklungsstadien, Erlebnisse und Freundschaften.“
Alan Cope

Emmanuel Guibert schafft es mit seiner einigartigen Weise zu zeichnen, daß wir wie in einer vergangenen Zeit blättern, daß wir die Gegenwart vergessen. Wir sind wie aus der Welt gefallen und meinen, ein altes Buch in Händen zu halten.


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Werner Färber Ungereimtheit der Woche
Das Ungetier

Es lebte einst mal dort mal hier
ein fürchterliches Ungetier.

Es hatte Spaß am böse sein,
deshalb blieb es meist allein.

Dienstag, 31.Januar

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Heute haben
Marie Luise Kaschnitz * 1901
Kurt Marti * 1921
Norman Mailer * 1923
Kenzaburo Oe * 1935
Geburtstag
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Jaaaa, ein neues Buch von Jon Klassen.
Schauen Sie sich bitte den Buchtrailer an. Mit der unterlegten Musik ist das doch ein kleines Kunstwerk. Und bitte achten sie auf die Augen der beiden Schildkröten.

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Jon Klassen:Wir haben einen Hut
Aus dem Englischen von Thomas Bodmer
NordSüd Verlag € 16,00
Bilderbuch ab 4 Jahren

Endlich gibt es ein weiteres Hut-Bilderbuch. Dieses Mal sind es zwei Schildkröten, die einen Hut finden. Einen halt. Also nur einen und nicht für jeden einen. Was tun?
Die eine Schildkröte träumt, daß jeder von ihnen einen Hut aufhat. Die andere Schildkröte ist jedoch hellwach und wir wissen (noch) nicht, was sie vorhat.
Jon Klassen hat wieder ein großartiges Werk geschaffen. Mit sehr wenigen Mitteln, mit einer einfachen Geschichte und wenig Text trifft er voll ins Schwarze. Und alleine die Augen der beiden Tiere. Wie sie sich hin und her bewegen, wie sie die Gedanken der beiden andeuten ist wahrlich meisterhaft.

Hier die anderen beiden Hut-Bilderbücher und sein super „Dunkel“-Buch.

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Werner Färbers Ungereimtheit der Woche
Keine Kuschelkatze CCCXXXVI

Hat die süße kleine Mieze
keine Lust auf Nähe, flieht se
um diese und um jene Ecke,
auf dass sie sich vor dir verstecke.

Mittwoch, 25.Januar

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Heute haben
Virginia Woolf * 1882
Eva Zeller * 1923
Silvio Blatter * 1946
David Grossman * 1954
Alessandro Baricco * 1958
Geburtstag
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Foto: Florian Arnold

Gestern abend hatten wir ein literarisches Highlight in unserer Buchhandlung.
Carlos Peter Reinelt las seinen Text „Willkommen und Abschied„.
Die Buchhandlung füllte sich zu einer angenehmen, interessierten Runde. Schön war es auch, daß drei syrische junge Männer sich in die erste Reihe setzten. Sie sind in der Ulmer ADK, um Schauspiel und Regie zu lernen. Nach der Veranstaltung kamen sie und Reinelt ins Gespräch und sie wollen seinen Text in ihr Projekt einbauen.
Reinelt war gerade mal 20 Jahre alt, als im August 2015 ein Kühllaster mit Menschen darin, auf der Autobahn abgestellt wurde und alle Flüchtlinge darin erstickten.

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Sein Text enstand dann in einem Urlaub in Spanien, wobei er sich über die Form nicht im Klaren war. Er wollte zuerst etwas im Thomas Mann-Stil. Später kam dann das Problem dazu, daß der Mann, der diesen Monolog hält, am Ende des Textes tot ist. So kam er auch parallel auf die Idee der besonderen Gestaltung. Sein Text ist eingerahmt und umrahmt von den Worten „Willkommen und Abschied“. Der Rahmen entspricht den Maßen des Kleinlasters. Und so eingezwängt wird der Text immer dunkler. Bis nur noch schwarz zu sehen ist. Die Schrift ist mal normal, mal groß und fett (wenn der junge Mnn brüllt und schreit) und auch klein und zart (wenn er leiser wird und nachdenkt). Zum Schluß sehen wir nur noch kleine arbaische Schrift. Und so las Carlos Reinelt auch seinen Text vor. Er fragte mich im Vorfeld, ob er auch einen Tisch hätte. Na klar, sagte ich und dachte nicht weiter nach. Daß ein Tisch für seinen Vortrag jedoch sehr wichtig wird, erlebten wir dann später, als er seinen Protagonisten gegen die Wände des Lasters donnern läßt und er dieses Geräusch mit der Faust auf dem Tisch nachahmte.
Der Schrecken ist bei uns angekommen, sagte er, und nicht nur in den Nachrichten zu sehen. Genau diese Betroffenheit spürten wir gestern abend in der Buchhandlung. Wir lesen über ertrunkene Flüchtlinge und blättern weiter. Dieser Text, dieser Vortrag, ließ uns das Grauen hautnah erspüren.
Totenstille (ja, das Wort trifft wirklich zu) war es nach der halben Stunde, in der Carlos Reinelt gelesen hat. Umso freundlicher wurde danach in kleiner Runde mit dem Autoren diskutiert.

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Carlos Peter Reinelt: „Willkommen und Abschied“
Wallstein Verlag € 9,40
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Werner Färbers Ungereimtheit der Woche
Kleine Verwechslung

Wenn eine Schlange hüpft durchs Gras,
während ein Frosch kriecht an sie ran,
beschleicht mich das Gefühl, dass das,
was hier passiert, nicht stimmen kann.

 

Mittwoch, 11.Januar

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Heute haben
Diana Gabaldon * 1952
und Katharina Hacker * 1967
Geburtstag
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Albert Cüppers Bild des Monats:
„Gekipptes Balkenhemd mit Stützfläche“

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Werner Färbers Ungereimtheit der Woche:
DER YANGCHUANOSAURUS

Yangchuanosaurus wurd’s genannt,
als man es jüngst versteinert fand,
das Tier, das streifte irgendwann
durch Chinas weites Sichuan.

Vier Tonnen war wohl sein Gewicht.
Doch überleben konnt‘ es nicht.
Fragend leg ich die Stirn in Falten:
Wieso blieb die Art nicht erhalten?

Der Forschung neuester Bericht
erklärt, dass es dem Saurus nicht
gelang, sich satt zu fressen,
weil mit Stäbchen er gegessen.
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Am Dienstag, den 24.Januar ist Carlos Peter Reinelt mit seinem Text „Willkommen und Abschied“ bei uns zu Gast.
In Zusammenarbeit dem Literatursalon Ulm e.V.
Beginn: 19 Uhr

Ein konzentrierter und schockierender Text zum Thema Flüchtlinge und wie wir mit ihnen umgehen.

Carlos Peter Reinelt wagt viel in seinem literarischen Erstling. Sein Erzähler ist ein junger Mann, ein Rabauke, einer, dessen erstes Wort »verdammt« lautet und der im Jargon pausenlos Flüche von sich gibt. Vor allem (und von allem) ist er genervt, und erst recht stört ihn die schlechte Luft, die Enge, das Geschrei der Kinder, der Gesang der Mütter. Von Allah redet er dann und von einer Geschichte, die sich in seinem Heimatdorf zugetragen hat. Nicht schön. Der Autor lässt ihn nicht aussprechen, wo er sich befindet, aber wer im Jahr 2015 Nachrichten gesehen und gehört hat, ahnt es bald: In einem dunklen Kasten auf der Ladefläche eines LKW. Hier redet einer um sein Leben; und wie der Autor das mit sprachlichen und graphischen Mitteln gestaltet, wie er im Rhythmus des Sprechens die Worte ins Schlingern geraten lässt, dass sie ihre Bedeutung gewinnen und verlieren und auf andere Art wiedergewinnen, neu buchstabiert werden müssen, umrahmt von Goethes »Willkommen und Abschied« und in Beziehung dazu gesetzt, hat etwas den Atem Verschlagendes.

Dienstag, 3.Januar

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Heute haben
J.R.R.Tolkien * 1892
und Maxie Wander *1933
Geburtstag.
Es ist auch der Todestag von Rose Ausländer und Eva Strittmatter.
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Ganz traditionell gibt es zum Monatsbeginn einen Hinweis auf die
Reclam-Gedichtbändchen.

978-3-15-019111-8

Januar
Gedichte
Hrsg.: Christine Schmidjell und Evelyne Polt-Heinzl
Reclam Verlag € 5,00

Auch diesmal ist es wieder eine illustre Mischung und wieder ohne Goethe.
Ausländer, Borchers, Brinkmann, Claudius, Domin, Fried, Fuchs, George, bis hin zu Trakl, Tucholsky und Werfel.
Die Damen beginnen mit der Rubrik “Ins neue Jahr”, lassen dann “Glück und Segen” folgen, bis es zum “Schneegestöber” kommt und wir dann wieder “Geborgen daheim” sind. “Frost” und “Winter im Land” lassen diese Anthologie ausklingen.

Eduard Möricke
Zum Neujahr

Mit einem Taschenkalender

An tausend Wünsche, federleicht,
Wird sich kein Gott noch Engel kehren,
Ja, wenn es so viel Flüche wären,
Dem Teufel wären sie zu seicht.
Doch wenn ein Freund in Lieb und Treu
Dem andern den Kalender segnet,
So steht ein guter Geist dabei.
Du denkst an mich, was Liebes dir begegnet,
Ob dir’s auch ohne das beschieden sei.

Achim von Arnim
Neujahr

Altes Jahr, du ruhst in Frieden,
Deine Augen sind geschlossen;
Bist von uns so still geschieden
Hin zu himmlischen Genossen,
Und die neuen Jahre kommen,
Werden auch wie du vergehen,
Bis wir alle aufgenommen
Uns im letzten wiedersehen.
Wenn dies letzte angefangen,
Deutet sich dies Neujahrgrüßen,
Denn erkannt ist dies Verlangen,
Nach dem Wiedersehn und Küssen.

Christian Morgenstern
Winternacht

Flockendichte Winternacht …
Heimkehr von der Schenke …
Stlles Einsamwandern macht,
dass ich deiner denke.

Schau dich fern im dunklen Raum
ruhn in bleichen Linnen …
Leb ich wohl in deinem Traum
ganz geheim tiefinnen? …

Stilles Einsamwandern macht,
dass ich nach dir leide …
Eine weiße Flockennacht
flüstert um uns beide…

Rainer Maria Rilke
Wintermorgen

Der Wasserfall ist eingefroren,
die Dohlen hocken hart am Teich.
Mein schönes Lieb hat rote Ohren
und sinnt auf einen Schelmenstreich.

Die Sonne küßt uns. Traumverloren
schwimmt im Geäst ein Klang in Moll;
und wir gehn fürder, alle Poren
vom Kraftarom des Morgens voll.
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Werner Färbers Ungereimtheiten
Das Albatross XLV

Schnell wie ein Geschoss
saust das Albatross,
mit elegantem Schwung
setzt es an zum Sprung.

Beim Landen allerdings
haut’s dann schlechterdings
den armen Albatgaul
so richtig doll aufs Maul.

Mittwoch, 28.Dezember

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Heute hat
Alfred Wolfenstein
Geburtstag
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Alfred Wolfenstein
Städter

Dicht wie Löcher eines Siebes stehn
Fenster beieinander, drängend fassen
Häuser sich so dicht an, daß die Straßen
Grau geschwollen wie Gewürgte stehn.

Ineinander dicht hineingehakt
Sitzen in den Trams die zwei Fassaden
Leute, wo die Blicke eng ausladen
Und Begierde ineinander ragt.

Unsre Wände sind so dünn wie Haut,
Daß ein jeder teilnimmt, wenn ich weine.
Flüstern dringt hinüber wie Gegröhle:

Und wie stumm in abgeschlossner Höhle
Unberührt und ungeschaut
Steht doch jeder fern und fühlt: alleine.
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Ich will dich – Begegnungen mit Hilde Domin
Ein Film von Anna Ditges
Indigo DVD € 12,99

Zu Beginn dieses Dokumentarfilmes sehen wir Rosen, die in der Hand der Filmemacherin Anna Ditges auf dem Weg zum Haus der Dichterin Hilde Domin unterwegs sind. Mit ihrer anderen Hand filmt sie diesen Weg dorthin und erzählt aus dem Off, wie sie zufällig in einer Buchhandlung über den Namen Domin gestolpert ist und sich den Gedichtband „Nur eine Rose als Stütze“ gekauft und verschlungen hat. Sie nimmt Kontakt zur Domin auf, die als scheu, unzugänglich und arrogant gilt. Zu ihrer Überraschung willigt Hilde Domin eilt, dass Anna Ditges sie mit der Kamera besuchen kann. Der Empfang ist herzlich. Was wir sehen, sind Bücher, Bücher, Bücher. Hilde Domins Wohnung wird von ihnen beherrscht. Alle Zimmer scheinen von ihnen und den Erinnerungen, die mit ihnen verbunden sind, voll zu sein.
Offen erzählt die 95-jährige Dame aus ihrem Leben, ihrer Kindheit, der Flucht, dem Exil und ihrer Rückkehr nach Deutschland. Sie spricht wohl auch zum ersten Mal über ihre einzige Liebe Erwin, mit dem sie 54 Jahre zusammengelebt hat. Nun ist sie alleine in diesen Räumen der Erinnerung.
Mit dabei und immer ganz nah und doch nie indiskret, die Kamera von Anna Ditges und ihre Stimme aus dem Off. Die Filmemacherin fragt nach, bohrt, lässt Pausen und dadurch Möglichkeiten, dass Hilde Domin in Ruhe darauf antworten kann. Über Wochen und Monate, über fast zwei Jahre sind die Beiden in Kontakt, bis Hilde Domin nach einem gemeinsamen Silvesterabend im Februar darauf stirbt.
Es ist diese Offenheit, diese Direktheit, die große Erfahrung der alten Dame, die auch zickig werden kann und sich doch geehrt fühlt, die diesen Film ausmachen. Sie sagt, dass sie Anna liebt, aber die Kamera, die immer mitläuft, überhaupt nicht.
Nebenbei erfahren wir, was ein Gedicht ist, wie es entsteht und wie es war, als Hilde Domin ihr erstes geschrieben und ihrem Mann vorgelesen hat.
„Ich will dich“ ist ein Film, der schon fast 10 Jahre alt ist und es verdient hat, neben die Gedichtbände der Domin im Lyrikregal zu stehen.

Hilde Domin
Ich will dich

Freiheit
ich will dich
aufrauhen mit Schmirgelpapier
du geleckte

Die website zum Film
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Werner Färbers Ungereimtheit der Woche
Nach Weihnachten

Die Tage werden wieder länger,
die Kleidungsstücke sitzen enger.
Ich fühl‘ mich nach der Weihnachtszeit
wieder mal sehr rund und breit …

Mittwoch, 14.Dezember

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Heute hat Wolf Haas Geburtstag.
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Endlich ist unser Weihnachtsklassiker eingetroffen.

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Andreas Obieglo: „advent“
Jaro CD  € 18,00

Andreas Obieglo schreibt zu seinem Album:

„Alle Jahre wieder sagt man uns den lieben Advent an. Am besten auch schon spätestens ab Oktober, bis hin zu einer oftmals gar nicht so Stillen, Heiligen Nacht.
Eigentlich gedacht als eine Zeit der Vorbereitung, der Besinnung und des Nachdenkens, fühlt man sich, je näher es auf den Heiligen Abend zugeht, oft gehetzt und getrieben. Diesem Gefühl habe ich versucht zu entfliehen, als ich in der Vorweihnachtszeit 2011 begann, an den Arrangements dieser Melodien zu arbeiten. Im Stil meines ersten Albums »Lieder (FUEGO2157)« und inspiriert von dem Titel eines meiner liebsten Bücher, „Der Klang der ungespielten Töne“, geschrieben von Konstantin Wecker, wollte ich Töne eher weglassen als spielen. Ich wollte neben der Musik ebenso die Stille zwischen den Tönen hören und hörbar machen. Es sollte eine leise Musik werden, die sich nicht aufdrängt und lärmend ist, wie so vieles, was wir in der „Staaden Zeit” kaufen und konsumieren sollen.”

Hilfe, jetzt ist die Zeit der Weihnachtsmelodien im Radio in den Kaufhäusern. Einfach überall. An Flucht ist nicht zu denken. Gut, es gibt schon ein paar Ohrwürmer, aber sonst? Reissaus möchte man nehmen. Wenn ich jedoch diese CD auflege, und das mache ich schon seit Jahren, dann bleibt die Zeit ein wenig stehen, die Hektik verschwindet und ein Ruhe kehrt ein.
Einen kleinen Vorgeschmack finden Sie auf dem Video-Clip.

Mitwirkende: Andreas Obieglo, Caro Obieglo, Chris Beier, Tilman Wehle, Alex Kilian
Spieldauer: 46 min.

Trackliste:
01 wir sagen euch an den lieben advent
02 les anges dans nos campagnes
03 es kommt ein schiff geladen
04 vom himmel hoch da komm ich her
05 what child is this
06 wir sagen euch an den lieben advent
07 the first noel
08 inmitten der nacht
09 adeste fideles
10 maria durch ein dornwald ging
11 wir sagen euch an den lieben advent
12 es wird scho glei dumpa
13 leise rieselt der schnee
14 ich steh an deiner krippen hier
15 es ist ein ros entsprungen
16 wir sagen euch an den lieben advent
17 stille nacht


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Werner Färbers Ungereimtheit der Woche
Das Mehrschwein CXLII

Neulich kam ein fettes Schwein
beim Wiegen – kann das wirklich sein? –
auf ein Gewicht, das sonst erreichen
der Tiere zwei von seinesgleichen.

Kaum war es runter von der Waage,
stellte man dem Schwein die Frage:
„Weshalb bist du gar so schwer?“
„Womöglich fress‘ ich etwas mehr?“

p.s. wir haben noch Gedichtekalender von Werner Färber und sein schönes Buch mit den vielen anderen Ungereimtheiten im Buchladen.