Dienstag, 22.August

Heute haben
Dorothee Parker * 1893
Wolfdietrich Schnurre * 1920
Ray Bradbury * 1920
Irmtraud Morgner * 1933
Annie Proulx * 1935
Peter James * 1948
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„Literatur braucht Zukunftsgewissheit wie der Mensch selber. Wer heute Literatur macht, fördert, liest, ist bemüht, bösen Ahnungen zum Trotz, Optimist zu bleiben, ist einer, der glaubt, dass die Zukunft doch bewahrt wird.“
Irmtraud Morgner
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Alexandre Labruffe: „Erkenntnisse eines Tankwarts
Aus dem Französischen von Cornelius Wüllenkemper
Wagenbach Verlag / Salto € 22,00

Allein der Titel hat mich schon hellhörig gemacht. Die Erkenntnisse eines Tankwarts? Da gibt es doch sicherlich einiges zu entdecken. Und so kommt es dann auch. Beauvoires Job ist langweilig und öde, in der Nachbarschaft passiert auch nicht viel. Bei ihm ist es oft ein unpersönliches Kommen, Bezahlen und Gehen, wobei er selbst meist übersehen wird. Aber immer wieder geschehen merkwürdige Dinge. So muss er z.B. Bücher annehmen, die dann ein anderer Mensch bei ihm abholt. Sind das verschlüssselte Geheimdokumente? Was ist mit der japanischen Stammkundin, die mit dem Motorrad kommt, sich in ihrem Lederkombi versteckt und ein großes Schwert auf dem Rücken trägt?
Beauvoire vertreibt sich seine Zeit mit Lesen, Anschauen von schlechten B-Movies, wobei er dann von Amerika träumt. Er gestaltet Fotoausstellungen in seinem Verkaufsraum, wodurch dann sein Chef ausrastet. Er spielt Dame mit seinem Freund Nietzland, telefoniert mit Ray auf Malta und bleibt ein genauer Beobachter.
Der Autor Alexandre Labruffe hat ein etwas durchgeknalltes Debüt veröffentlicht, das sehr viel über uns Menschen verrät. Über unsere Hoffnungen und Wünsche und die dazugehörende Realität. Ein kleines philosophisches Buch, das widerum aber nicht allzu ernst gemeint ist.
Eine prima Sommerlektüre und eine literarische Überraschung. Wenn wir auf unserer Urlaubsfahrt kurz an fremden Tankstellen halten, tanken, ne Kleinigkeit kaufen und wieder weiterfahren, lohnt sich ein Blick auf die Menschen um sie herum.

Alexandre Labruffe, geboren 1974 in Bordeaux, war mehrere Jahre lang in China und Südkorea tätig. Zurück in Paris hat er in zahlreichen künstlerischen Projekten, vor allem am Theater und fürs Kino gearbeitet. „Erkenntnisse eines Tankwarts“ ist sein erster Roman.

Montag, 3.April

Heute haben
George Herbert * 1593
Washington Irving * 1783
Peter Huchel * 1903
Märta Tikkanen + 1935
Johanna Walser * 1957
Geburtstag
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Hugo von Fallersleben (* 2.4.1798)
Die Gedanken sind frei

Die Gedanken sind frei,
Wer kann sie erraten?
Sie fliegen vorbei
Wie nächtliche Schatten.
Kein Mensch kann sie wissen,
Kein Jäger sie schießen,
mit Pulver und Blei.
Die Gedanken sind frei.

Ich denke was ich will
Und was mich beglücket,
Doch alles in der Still
Und wie es sich schicket.
Mein Wunsch und Begehren
Kann niemand verwehren.
Es bleibet dabei:
Die Gedanken sind frei.

Und sperrt man mich ein
Im finsteren Kerker,
Das alles sind rein
Vergebliche Werke;
Denn meine Gedanken
Zerreißen die Schranken
Und Mauern entzwei:
Die Gedanken sind frei.

Nun will ich auf immer
Den Sorgen entsagen,
Und will mich auch nimmer
Mit Grillen mehr plagen.
Man kann ja im Herzen
Stets lachen und scherzen
Und denken dabei:
Die Gedanken sind frei.

Ich liebe den Wein,
Mein Mädchen vor allen,
Die tut mir allein
Am besten gefallen.
Ich sitz nicht alleine
Bei einem Glas Weine,
Mein Mädchen dabei:
Die Gedanken sind frei.
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Unser Tipp:


Christophe Boltanski: „Die Leben des Jacob“
Aus dem Französischen von Tobias Scheffel
Hanser Verlag € 24,00

Dies ist der zweite Roman von Christophe Boltanski. Wieder begibt er sich auf Spurensuche, die er literarisch verarbeitet. Im Roman „Das Versteck“ erzählte er über seine jüdischen Großeltern anhand ihres Hauses in der Rue de Grenelle in Paris, jetzt kommt er in den Besitz von wahnsinnig vielen Fotostreifen aus Fotoautomaten. Ein gewisser Jacob B’chiri hat sich in den Jahren 1973 bis 1974 immer wieder selbst abgelichtet. Der Autor geht diesem Pänomen nach, er will die Hintergründe dieses merkwürdigen Fundes aufdecken. Die Spur, die von Paris über Rom und Marseille führt, zu den Friedhöfen von Djerba und an die Ränder der israelischen Negev-Wüste, beschreibt er in diesem Buch. Dabei fördert er eine unglaubliche Biographie zu Tage, in der sich Kriegs- und Exilerfahrung mit künstlerischen Ambitionen vermischen. Leichthändig und klug setzt er das Leben eines Fremden zu einer Erzählung über Identität, Glauben und die großen Tragödien des 20. Jahrhunderts zusammen.

Leseprobe

Christophe Boltanski, 1962 in Paris geboren, arbeitete lange als Journalist und Kriegsreporter bei Libération und Nouvel Observateur und war Chefredakteur der Zeitschrift XXI. Er ist der Sohn des Soziologen Luc Boltanski und ein Neffe des bildenden Künstlers Christian Boltanski. Sein erster Roman Das Versteck (Hanser, 2017) war ein Überraschungserfolg in Frankreich und wurde mit dem Prix Fémina ausgezeichnet.
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Am kommenden Dienstag, den 4.April gibt es wieder eine „Erste Seite“ mit neuen Büchern, aus den Clemens Grote vorliest:
Wir beginnen, wie immer, pünktlich um 19 Uhr.
Dieses Mal sind es sogar fünf Bücher.

Carolina Schutti: „Meeresbrise“
Markus Orths: „Mary & Claire“
Judith Hermann: „Wir hätten uns alles gesagt“
Tarjei Vesaas: „Der Keim“
Laurent Mauvignier: „Von Menschen“

Der Eintritt ist frei.
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Liebe Freunde,
wir laden Euch/Sie alle herzlich ein zur Vernissage „Kunstwerke von Jesiden“ am
Donnerstag, den 06. April 2023 um 18.00 Uhr
im Stadthaus Ulm, Münsterplatz, Ulm

In den Jahren 2015/2016 wurden ca. 1000 sexuell missbrauchte Jesid*innen, v.a. Frauen und Kinder aus Syrien und dem Nordirak im Rahmen eines speziellen Sonderkontingents in Baden-Württemberg aufgenommen. Diese Frauen und Kinder waren zuvor aus der IS-Gefangenschaft befreit worden, viele hatten darin Angehörige verloren, waren selbst versklavt, schwer misshandelt und in einem sehr schlechten psychischen und körperlichen Zustand. 
Das BFU war seinerzeit bei den Planungsrunden zur psychotherapeutischen und psychosozialen Versorgung dieser Jesidinnen in Baden-Württemberg beteiligt. Nach Ulm wurden 65 Jesidinnen verlegt. Davon waren (und sind noch) 35 Klient*innen in kunsttherapeutischer Einzel- oder Gruppenbehandlung im BFU, einige zusätzlich in einzelpsychotherapeutischer Behandlung im BFU. Für die Kunsttherapie wurde eigens ein Atelier im Wohnhaus der Jesid*innen nach deren eigenen Vorstellungen eingerichtet.
Die beiden Kunsttherapeutinnen des BFU, Regine Schempp und Indira Grabovac, haben in den vergangenen über 5 Jahren nicht nur therapeutisch Außerordentliches geleistet, sondern sie waren für die jesidischen Mädchen und Frauen, ebenso für die Jungs und die kleineren Kinder wichtige Ankerpersonen geworden. Sie waren fast die einzigen Deutschen, die regelmäßig Kontakt zu den Jesidinnen hatten, denn ihr Wohnort musste wegen der weiter bestehenden Bedrohung durch den IS geheim bleiben. 

An der Vernissage werden Bilder und Skulpturen gezeigt, die in den vergangenen 5 Jahren im Rahmen von Gruppen- und Einzelkunsttherapie für Jesid*innen im BFU entstanden sind. Der auf dem Plakat von einer Klientin schön gestaltete Pfau ist der Engel „Tausi-Melek“. Er wird von den Jesiden besonders verehrt, da er an der Schöpfung der Welt aktiv beteiligt gewesen sei. Gott habe Melek Taus als Wächter der Welt und als Vermittler zwischen sich und den Menschen eingesetzt. Er wird als Pfau dargestellt. Neben anderem sehen radikal-islamische Fundamentalisten den Glauben an den Engel Melek als „Teufelsanbetung“ an, auf die sie die Verfolgung der Jesiden gründen.

Ich lade Sie/Euch hiermit herzlich ein zu dieser außergewöhnlichen Ausstellung!

Das Grußwort spricht Frau Bürgermeisterin Iris Mann. Die beiden Kunsttherapeutinnen werden über die Bilder und den therapeutischen Prozess berichten. Ein jesidischer Musiker (Saher Issa aus Solingen/NRW) wird einige traditionelle jesidische Lieder auf seiner Baglama vortragen.

Für das leibliche Wohl ist gesorgt!

Das BFU-Team und die Jesidischen Klient*innen freuen sich auf Ihr/Euer zahlreiches Erscheinen!
Beste Grüße
Manfred Makowitzki, Leiter BFU
Leiter Behandlungszentrum für Folteropfer Ulm
Behandlungszentrum für Folteropfer Ulm (BFU)
T: 0731 – 88 07 08 91, F: 0731 – 88 07 08 99
Wagnerstr. 65
89077 Ulm
m.makowitzki@rehaverein.de

Mittwoch, 29.März


Heute haben
Yvan Goll * 1891
Ernst Jünger * 1895
Ur-Opa Hans * 1927
Georg Klein * 1953
Jo Nesbo * 1960
Geburtstag
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John Höxter (1884–1938)
Pro domo

Wenn ich wollte, was ich könnte,
Könnt’ ich eher, was ich wollte;
Doch wie will ich wollen können,
Und wie kann ich können wollen
Ohne Muß zum Können wollen,
Da man wollen kann, wer muß!
Müßt’ ich wirklich, was ich müssen wollte,
Könnt’ ich sicher, was ich können muß.
Seht! Ein Mann, der manches können könnte,
Wenn der gute Mann nur wollen wollte.
Er verstummt und macht vorzeitig Schluß,
Weil (nach Nathan) kein Mensch müssen muß!
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Unser Buchtipp:


Laurent Mauvignier: „Von Menschen“
Aus dem Französischen von Annette Lallemand
Wagenbach Verlag Taschenbuch € 15,00

Das ist das Besondere am Bücherlesen. Dass sich plötzlich Parallelen auftun, von denen man nichts ahnte, die sich eröffnen, nachdem das eine Buch zu Ende, das andere Buch gerade begonnen wird zu lesen.
Vor zwei Tagen hatte ich „Der Keim“ besprochen. Den Roman über Verbrechen, Schuldzuweisung und Sühne. Jetzt der Roman des Franzosen Laurent Muvignier, der 2009 im Französischen und 2011 im Deutschen unter dem Titel „Die Wunde“ erschienen ist.
Auch hier ist es wieder eine kleine, überschaubare Dorfgemeinschaft, in dem Bernard, der Aussenseiter, der Alkoholiker einer Straftat bezichtigt wird. Er schenkt seiner Schwester zum 60.Geburtstag eine goldene Brosche. Woher hat er das Geld? E, der sonst nie etwas hat, der abgelegte Kleidung trägt, irgendwo in einer Hütte im Wald lebt und immer wieder etwas zu Essen zugesteckt bekommt. Es scheint unmöglich, dass dieser, nach Rauch stinkende Kerl, so etwas Wertvolles auf legalem Weg erworben haben kann. Die Situation eskaliert, Bernard verschwindet und bedrohnt danach noch die algerische Familie im Dorf. Der Bürgermeister und die Polizei werden eingeschaltet. Sie wollen Bernard zur Rede stellen.
Hier wechselt die Perspektive und Bernards Cousin Rabut erzählt in Rückblicken ihrer beider Zeit als Soldaten im Krieg in Algerien. Dieses Trauma hat beide, auch vierzig Jahre später, nicht mehr losgelassen. Diese schrecklichen Erfahrungen und das kollektive Schweigen führte u.a. dazu, dass Bernard so ist, wie er ist und Rabut keine Nacht durchschlafen kann.
Laurent Mauvignier hat nicht nur ein Buch über den Algierienkrieg geschrieben, sondern ein Buch über Krieg überhaupt. Und dies so geschickt erzählt, dass wir beim Lesen unser Verhältnis zu den einzelnen Personen immer wieder neu überdenken.


Mittwoch, 1.März


Heute haben
Giorgos Seferis * 1900
Ralph Ellison * 1914
Franz Hohler * 1943
Delphine de Vigan * 1966
Franzobel * 1967
Geburtstag
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Theodor Storm
rz

Und aus der Erde schauet nur
Alleine noch Schneeglöckchen;
So kalt, so kalt ist noch die Flur,
Es friert im weißen Röckchen.
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Bruno Monsaingeon: Ich denke in Tönen
Gespräche mit Nadia Boulanger
Aus dem Französischen von Joachim Kalka
Berenberg Verlag € 28,00

Nadia Boulanger war Lehrerin und Ideengeberin vieler ­berühmter Komponisten, Pianisten, Musiker und Intellektueller im 20. Jahrhundert. Die Liste ihrer Schüler ist lang und prominent: ­Leonard Bernstein und Igor Strawinsky blieben ihr zeitlebens mit ihr befreundet. Ravel, Philip Glass und Quincy Jones hatten ihr viel zu verdanken. Aaron Copland, Grażyna Bacewicz, Elliott Carter, sogar Quincy Jones gingen in ihrer kleinen Wohnung aus und ein. Paul Valéry sagte über seine Freundin: „Sie atmet, was wir hören.“
Sie war Komponistin, Dirigentin, Lehrerin, hasste in ihrer Kindheit Musik und kam erst durch die Töne eines Krankenwagens zu ihrer Berufung. Gleichzeitig hat sie zeitlebens unter der Last ihrer Mutter gelitten.
Das Buch mit Gesprächsnotizen zeigt die Zerissenheit der Person, von der ich vorher noch nie etwas gehört habe. Interessant wäre nun eine „unabhängige“ Biografie über Nadia Boulanger, die dieses Leben von weiteren Blickwinkeln betrachtet.

Leseprobe
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Dürre in Italien und Frankreich
„Wesentlich trockener als in normalen Jahren“

Frankreich und Italien leiden aktuell unter großer Dürre. Im Interview erklärt Klimaforscher Marx, was die Gründe sind, warum ein paar Tage Regen nicht reichen – und was vor dem Sommer getan werden sollte.

tagesschau.de: Was ist da im Moment im Süden Europas los? Zu wenig Regen, zu wenig Schnee. Was ist passiert?

Andreas Marx: Eigentlich ist es im Winterhalbjahr ja so, dass es relativ nass sein sollte. Das heißt, wir haben eigentlich das Niederschlagsmaximum in den Wintermonaten im Winterhalbjahr. Der Schneespeicher baut sich auf und kann dann im nächsten Jahr ins Frühjahr bis in den Sommer hinein vor allem den Flüssen Wasser zur Verfügung stellen.
Gleichzeitig sorgt der Regen aber eben auch großflächig dafür, dass die Grundwasserstände sich in Europa wieder erholen und wieder ansteigen. Die Situation aktuell ist aber so, dass es durch die ausbleibenden Niederschläge der letzten Wochen ein Defizit gibt. Gleichzeitig stellen aber nicht nur die letzten Wochen ein Problem dar, sondern auch die Tatsache, dass die Niederschlagsdefizite und die Hitze der letzten Jahre dazu geführt haben, dass sich langsam ein großes Wasserdefizit aufgebaut hat. …

Das komplette Interview gibt es hier auf tagesschau.de
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Samstag, 4.Februar

Heute haben
Pierre Marivaux * 1688
Friedrich Glauser * 1896
Jacques Prévert * 1900
Alfred Andersch * 1914
Betty Friedan * 1921
Werner Schwab * 1958
Stewart O’Nan * 1961
Geburtstag
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„Das Allerschwerste dünkt mich immer, einen ganz fremden Standpunkt gelten zu lassen.“
Friedrich Glauser
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Jetzt gilt es rechtzeitig auf dem Markt einzukaufen:

Anne-Katrin Weber: „Deftig Vegetarisch – Alpenküche
Fotos von Wolfgang Schardt
Schmoren, backen, braten, rösten, einlegen
Becker Joest Volk Verlag € 29,95

Kochbücher gibt es wie Sand am Meer. Und doch hat uns dieses Buch, als es eine Kundin bestellt und wir reingeschaut hatten, sofort inspiriert. Sind es doch so viele Rezepte, die man kennt, oder schon immer mal wieder kochen wollte. Also diese Aha-Erlebnisse. Ja, genau! Das wollte ich doch ….
Knödel, Käse, Kaiserschmarren und vieles mehr aus den Bergregionen von Frankreich über die Schweiz, Deutschland, Österreich und Italien bis nach Slowenien. Irgendwie riecht das nach Wohlfühlküche und nicht nach großen Tellern mit kaum was drauf.
Los geht es mit herzhaften Knödeln oder einer kräuterduftenden Pasta. Es folgt eine zünftige Brotzeit, eine cremige Suppe oder ein würziges Käsefondue. Bei den süßen Schmankerln fällt die Wahl angesichts all der herrlichen Mehlspeisen wie Topfenpalatschinken, Germknödel und Marillenstrudel schwer. Aber auch eingelegte Pilze und Vorratstipps gehören dazu.
Und das alles wird unterlegt mit vielen großen Fotos, die noch mehr anmachen, das eine oder andere nachzukochen.

Die Leseprobe zeigt einen Querschnitt durch das Buch. Von Pasta bis zum Kuchen.
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Nicht vergessen:

Am kommenden Dienstag, 7.Februar, gibt es ab 19 Uhr wieder eine „Erste Seite“.
Clemens Grote liest aus aus vier Romanen und unsere Gäste Adi Hübel und Dietmar Herzog präsentieren ihr gemeinsames Buchprojekt „Bei Anruf Wort“.
Mehr Infos finden Sie auf unserer Veranstaltungsseite.

Mittwoch, 20.Juli


Heute haben
Francesco Petrarca * 1304
Erik Axel Karlfeldt * 1864 (Nobelpreis 1931)
Thomas Berger * 1924
Pavel Kohout * 1928
Lotte Ingrisch * 1930
Cormac McCarthy * 1933
Uwe Johnson * 1934
Geburtstag
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August 1967

Lange Wellen treiben schräg gegen den Strand, wölben Buckel mit
Muskelsträngen, heben zitternde Kämme, die im grünsten Stand
kippen. Der straffe Überschlag, schon weißlich gestriemt, umwik-
kelt einen runden Hohlraum Luft, der von der klaren Masse zer-
drückt wird, als sei da ein Geheimnis gemacht und zerstört worden.
Die zerplatzende Woge stößt Kinder von den Füßen, wirbelt sie
rundum, zerrt sie flach über den graupligen Grund. Jenseits der
Brandung ziehen die Wellen die Schwimmende an ausgestreckten
Händen über ihren Rücken. Der Wind ist flatterig, bei solchem
drucklosen Wind ist die Ostsee in ein Plätschern ausgelaufen. Das
Wort für die kurzen Wellen der Ostsee ist kabbelig gewesen.

Uwe Johnson aus dem Beginn der „Jahrestage
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Unser Buchtipp:


Osuma Okamura, David Böhm, Jiří Franta: „Eine Stadt für alle“
Handbuch für angehende Stadtplanerinnen und Stadtplaner
Aus dem Tschechischen von Lena Dorn
Karl Rauch Verlag € 25,00

Ein unglaubliches Buch. Im ersten Moment weiss man gar nicht, was das ist. Ein Kinderbuch, ein Kunstobjekt, ein Buch für Architekten, oder ein großer Spaß für Bastelfreunde?
Ich denke, es ist eine Mischung aus allem und es steckt ein großer Gedanke dahinter:
Wie wollen wir leben in der Stadt?
Die meisten Menschen wohnen heute in einer Stadt. Riesige Gebilde entstehen daraus. Manchmal aus dem Nichts. Aber wie funktionieren diese menschlichen Ansammlungen? Mit welchen Problemen haben wir es damit zu tun? Wie werden sich unsere Städte entwickeln? Was muss sich verändern, in den Zeiten des Klimawandels? Wie sieht die Stadt der Zukunft aus?

Aus dem Inhalt:
Wer plant die Stadt und bestimmt ihre Form?
Kann ich in der Stadt bauen, was mir gefällt?
Wer versorgt die Stadt mit Energie?
Was verbirgt sich unterirdisch unter der Stadt?

Was dieses Buch aber vorallem ausmacht, ist die Idee dahinter, diese vielen Gedanken in große Installationen aus Pappe, Haushaltsgegenständen, Kartons, Fundstücken und uralten, verbeulten Matchboxautos umzusetzen. Großartig!!!
Sie müssen sich das in Ruhe anschauen.

Leseprobe

Osamu Okamura ist Architekt und Dekan der Fakultät für Kunst und Architektur der Technischen Universität Liberec und u.a. Kurator des Projekts Shared Cites: Creative Momentum. Er ist für den Mies van der Rohe Preis der Tschechischen
Republik nominiert..
David Böhm ist Absolvent der Akademie der Bildenden Künste in Prag, eine Arbeiten waren bereits in Galerien in New York, Berlin, Kiew und anderen Städten zu sehen. Als Autor und Illustrator wurde er mit vielen internationalen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis, dem Bologna Ragazzi Award und dem höchsten Tschechischen Buchpreis, dem Magnesia Litera..
Jiří Franta ist ein Künstler, dessen Spektrum sich nicht aufs Zeichnen und Malen beschränkt. Als Illustrator und Comicautor wurde er mehrfach ausgezeichnet..
Lena Dorn (wir kenen sie, seit sie noch ganz klein in unserem Buchladen Kinderbücher durchgestöberte) hat Slawistik und Geschichte studiert und arbeitet als Wissenschaftlerin, Übersetzerin, Autorin und Kuratorin. Sie lebt in Berlin und übersetzt Kinderbücher, Sachtexte, Lyrik und Prosa aus dem Tschechischen und Slowakischen.
2021 wurde sie mit dem Sonderpreis Neue Talente des Deutschen Jugendliteraturpreises ausgezeichnet.
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Hardy on Tour
Tag 54

158 km von Vencimont in den Ardennen über Sedan und Verdun nach Woimbey


Radfahren, so heisst es ja, sei gesund.
Mein Radtag heute geht definitiv nicht als gesundheitsfördernde Betätigung durch und dies lag an den Elementen Hitze und Wind. Die 37 Grad allein waren ja schon heftig genug, aber den Gegenwind dazu hätte es echt nicht gebraucht. Hab mich ziemlich platt gestrampelt heute und hoffe, ich bin morgen wieder radtauglich munter. Und ich hab schlecht geplant, da ich nicht dran gedacht hatte, daß die Geschäfte über Mittag geschlossen haben und so ging mir das Wasser aus und das war richtig übel.
Wie wertvoll Wasser ist, schätzt man besonders dann wenn man keines hat. Diese Erfahrung durfte ich heute machen. Um die Mittagszeit war es heut überall wie ausgestorben, niemand zu sehen in den Dörfern, Roll- und Fensterläden der Häuser dicht. Meine „Rettung“ war schließlich der Wasserhahn im Friedhof und ich war echt glücklich als ich den entdeckte und noch mehr als auch tatsächlich herrlich kühles Wasser aus dem Hahn kam.
Immer sehr bewegend ist es, die Soldatengräber rund um Verdun zu sehen. Ich war schon mal mit Freunden hierhergeradelt und wir hatten uns damals das eindrucksvolle Museum und das ganze Gelände drumherum angeschaut. Kann ich jedem nahelegen. Es macht den unfassbaren Schrecken dieses Krieges damals deutlich und wenn man an die Situation in der Ukraine dabei denkt und weiß, daß auch heute wieder Menschen dort gestorben sind, dann ist das nur unsagbar traurig und man begreift nicht, warum sowas immer wieder geschieht.
Mich erfüllt es mit Dankbarkeit, daß unsere Völker, die sich vor 100 Jahren hier so brutal niedergemetzelt haben, es geschafft haben, sich zu versöhnen und darüberhinaus ein gemeinsames Europa geschaffen haben. Nur so kann die Zukunft funktionieren. Es lohnt sich.

Montag, 18.Juni / Schwörmontag

Heute ist Schwörmontag in Ulm, der Feiertag des Jahres,
und wir schließen unseren Laden um 14 Uhr.
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Heute haben
William Makepeace Thackeray * 1811
Ricarda Huch * 1864
Nathalie Saurraute * 1902
Grete Weil * 1906
Georg Kreissler * 1922
Ludwig Harig * 1927
Edward Bond * 1934
Hunter S. Thompson * 1937
Geburtstag
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Ada Christen (1839-1901)
Menschen

Als ich, mit der Welt zerfallen,
Schweigend ging umher,
Da fragten die lieben Menschen:
Was quälet dich so sehr?

Ich sagte ihnen die Wahrheit;
Sie haben sich fortgedrückt
Und hinter meinem Rücken
Erklärt, ich sei verrückt.
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Heute lassen wir Hartmut wieder über seine Radltour berichten:

Tag 52

84 km von Hirson bis Charleroi

Nein nein, also ich hab wahrhaftig keinen Grund mich zu beklagen.
Da sitze ich hier in der Taverne von der Klosteranlage „Abbaye d‘ Aulne“ bei feinem Käse und noch feinerem Bier und blicke auf einen Sonntag, der völlig anders war wie ich das gestern Abend mir so vorgestellt hatte.
Da war nämlich der konfuse Plan gereift, zu versuchen nach Luxemburg zu kommen, um dort nach einem neuen Hinterrad zu schauen….das wäre 180 km und viele viele Höhenmeter gewesen. Und wie so oft war es auch bei dieser Entscheidung gut, nochmal ne Nacht drüber zu schlafen. Heut morgen nämlich fand ich den Plan doch sehr wagemütig und ich checkte nochmal in aller Ruhe und mit etwas mehr Besonnenheit die Lage und  „entdeckte “ dann das eigentlich Naheliegenste und das war die Stadt Charleroi in Belgien, nur ca. 65 km entfernt und zudem mit wenig Höhenmetern und immerhin 3 Radläden, die auch am Montag geöffnet haben (sagt zumindest Google). Also Strecke neu ins Navi eingegeben und es konnte losgehen.
Auf der Suche nach einem Sonntagmorgenkaffee kam ich an 3 Bäckereien vorbei. Kaffee bekam ich keinen dort, aber dafür jedesmal leckerste süße Stückchen. Ein kulinarisches Träumchen jedes für sich.
Tja und dann gestaltete sich dieser „verloren“ gedachte Sonntag weiter als wahrer Prachtstag. Die Route führte mich 25 km auf einer ehemaligen Bahntrasse nach Thuin (dort traf ich Andreas aus Brüssel, der mich zum Kuchen einlud) und von dort ebenso schön 22 km dem kurvenreichen Flüsschen Sambre entlang und vorbei am ehemaligen Kloster „Abbaye d‘ Aulne“, heute begehrtes Ausflugsziel und echt eindrucksvoll. Und das Bier dort ist eine Wucht und weit über das Kloster hinaus bekannt und begehrt.
Bis hierher also ein prächtiger, klassischer Ausflugssonntag von dem ich gestern nicht mal zu träumen wagte.
Und jetzt 3 Stunden später bin ich in Charleroi, der drittgrößten Stadt in Belgien und bin voll überfordert von dem Kontrast zu dem idyllischen Nachmittag. Was für eine Stadt, Industriestadt, Industrieruinen, viel Müll, Baustellen. Aber dann auch wieder moderne und gepflegte Ecken. Echt krass und zudem blühen überall meist kleine Fliederbüsche, die sich wohl selber ausgesät und ausgebreitet haben. Okay, also hier ruht die Hoffnung auf ein passendes Hinterrad. War ich heut Nachmittag vorsichtig optimistisch, bin ich jetzt doch deutlich skeptischer. Das wird sicherlich auch noch spannend mit dem Übernachtungsplatz hier.
Das Leben bietet so allerlei Erstaunliches.

Donnerstag

Heute haben
R.L.Stevenson * 1850
Peter Härtling * 1933
Dacia Maraini * 1936
Geburtstag
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„Maigrets Frankreich“

Diogenes Verlag € 49,90

Kommissar Maigrets Paris und Simenons Frankreich, gesehen mit den Augen von zeitgenössischen Fotografen (Brassaï, Cartier-Bresson, Doisneau u.a.), unterlegt mit Texten von Georges Simenon.

Georges Simenon, geboren 1903 in Liège/Belgien, begann nach abgebrochener Buchhändlerlehre als Lokalreporter. Nach einer Zeit in Paris als Privatsekretär eines Marquis wohnte er auf seinem Boot, mit dem er bis nach Lappland fuhr, Reiseberichte und erste „Maigret“-Romane verfassend. Schaffenswut und viele Ortswechsel bestimmten 30 Jahre lang sein Leben, bis er sich am Genfersee niederließ, wo er nach 75 „Maigret“-und über 120 „Non-Maigret“-Romanen, statt Romane zu schreiben, ausgreifende autobiographische Arbeiten diktierte. Er starb am 4. September 1989 in Lausanne.
Zum 25.Todestag legt der Diogenes einen wunderbaren Fotoband auf.

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Das, was Simenon seit den 30er Jahren zu Papier brachte (und das war nicht wenig) hatte er sich vorher dauf seinen Reisen durch Frankreich angeschaut. Er war zum Beispiel längere Zeit mit Ehefrau und Hund auf einem Schiff auf den Kanälen des Landes unterwegs und sammelte fleißig Eindrücke für sein späteres, monumentales Werk. Es waren die kleinen Leute, die ihn interessierten und von denen auch sein Kommisar Maigret geprägt wurde. Die einfachen Kneipen, die Seelaute und Arbeiter, die Nachtseite von Paris und die Hinterhöfe der Städte.
Selbst war er einerseits der brave Familienvater, andererseits auch der pfiffige Liebhaber, u.a. von Josephine Baker. Er war Weltreisender, Farmer und Villenbesitzer und hatte somit einiges auf dem Globus gesehen. Jetzt können wir in diese vergangene Welt eintauchen und zwar mit den Fotos der besten Fotografen der damaligen Zeit, die Michel Carly mit Zitaten aus Maigret-Romanen unterlegte. Ein großes Foto-Bilderbuch, das uns, wie bei Modiano, das vergangene Paris, das verschwundene Frankreich auferstehenlässt. Und gleichzeitig macht es Spaß, sich die alten Krimis von ihm wieder aus dem Regal zu holen. Es lohnt sich.
Haben Sie schon mal nachgerechnet, wieviel Maigret am Tag trinkt? Alkohol meine ich. Und wann er damit anfängt? Unglaublich, diese Mengen.
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Während der Kinder- und Jugendliteraturtage in Ulm bekommen wir immer wieder Besuch von Kinderbuchautoren.
Gestern stand plötzlich Oliver Scherz im Laden. Das war eine sehr lustige Begegnung.
Wenn Sie interesse an signierten Exemplaren haben, …

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Und:

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Rakete, die

1. Beim Militär benutzte Waffe, die ein lang gestreckter, zylindrisch und vorne spitz zulaufender Flugkörper ist. Mit Sprengstoff versehen. Erreicht hohe Geschwindigkeiten und ist auch auf weite Entfernung sehr treffsicher.
2. Wird in der Raumfahrt als Transportmittel benutzt. Für Mensch, Tier und Materialien.
3. Feuerwerkskörper meist an Silvester.

Welche dieser Raketen uns am kommenden Freitag ab 19 Uhr erwarten,
weiss ich noch nicht. Auf jeden Fall kommt Karen Köhler und liest
aus ihrem Debüt: „Wie haben Raketen geangelt“

buch