Donnerstag, 10.August

Heute haben
Alfred Döblin * 1878
Milena Jesenská * 1896
Jorge Amado * 1912
Emine Sevgi Ödzamar * 1946
Geburtstag
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Ich ging als Assistent in mehrere Irrenanstalten. Unter diesen Kranken war mir immer sehr wohl.
Alfred Döblin
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Deborah Levy: „Augustblau
Aus dem Englischen von Marion Hertle
AKI Verlag € 24,00

Deborah Levy ist „Augustblau“ eine starke Weiterentwicklung ihrer biographischen Bücher („Was das Leben kostet“ und „Ein eigenes Haus“) gelungen. Die Suche nach dem eigenen Ich, die Zerissenheit im Leben, die Brüche und Kanten, die es zu überwinden und zu glätten gilt. All das findet sich wieder im neuen Roman der englischen Autorin.
Dieses Mal dreht es sich um Elsa M.Anderson, oder Ann, die bei ihrem Adoptivvater zu einem Wunderkinder am Klavier heranwächst. Als sie als Weltstar ein Konzert in Wien abbricht, muss sie sich neu erfinden. Sie gibt Privatunterricht, um ihre Reisen zu finanzieren. Eines Tages trifft sie auf einem Markt eine Doppelgängerin von sich, die gerade zwei elektrische Tanzpferde kauft und verschwindet. Genau diese Pferde hätte sie auch gewollt. Was ihr bleibt, ist der schwarze Hut der Fremden, die sie nicht mehr abnimmt. Freunde und Bekannte tauchen auf und verschwinden. Altes vermischt sich mit Neuen. Und mitten drin die Frau, die versucht ihren eigenen Weg zu finden, inmitten einer von Männer dominierten Welt.
Eine verwirrende, faszinierende Geschichte, die sich eindeutig anders bewegt, als die vielen Spiegel-Besteller-Romane.
Und weil mich „Augustblau“ so fasziniert hat, habe ich mir gleich drei weitere Bücher von Deborah Levy aus der Stadtbibliothek geholt und „Was das Leben kostet“ mit großem Genuss in einem Zug durchgelesen. Unglaublich gut.


Deborah Levy: „Was das Leben kostet
Hoffmann und Campe Verlag € 14,00

Das schreibt der Verlag:
Deborah Levy glaubt nicht an Genregrenzen. Sie helfen ihr zwar, sich in Buchhandlungen zurechtzufinden, aber sie ist davon überzeugt, dass wirklich gute Bücher keine Schubladen brauchen. Und so ist auch ihr Schreiben ungeheuer vielschichtig, verbinden sich darin doch essayistische und lyrische Momente, autobiographisches und fiktionales Erzählen miteinander. Deborah Levy emigrierte im Alter von neun Jahren mit ihrer Familie aus Südafrika nach Großbritannien. Ihre Romane Heim schwimmen (2011), Heiße Milch (2016) und Der Mann, der alles sah (2019) waren für den Booker Prize nominiert. Für ihr dreiteiliges autobiographisches Projekt wurde sie mit dem Prix Femina Étranger ausgezeichnet. Sie lebt und arbeitet heute in London und Paris.

Debory Levy redet über ihr Schreiben:

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Jetzt schon mal vormerken:

Samstag, 18.Februar

Heute haben
Stéphane Mallarmé * 1842
Christa Wolf * 1929
John Updike * 1932
Sergio Pitol * 1933
Joy Fielding * 1945
Geburtstag
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Theodor Storm

O wär im Februar doch auch,
Wie’s ander Orten ist der Brauch
Bei uns die Narrheit zünftig!
Denn wer, so lang das Jahr sich mißt,
Nicht einmal herzlich närrisch ist,
Wie wäre der zu andrer Frist
Wohl jemals ganz vernünftig.
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Unser Sachbuchtipp:


Uwe Neumahr: „Das Schloss der Schriftsteller“
Nürnberg ’46 / Treffen am Abgrund
C.H.beck Verlag € 26,00

Die Nürnberger Prozesse einmal aus einer anderen Sicht, aus einem anderen Blickwinkel erzählt.
Noch nie waren wohl soviel berühmte Schriftsteller:innen und Journalist:innen aus aller Welt an einem Ort, unter einem Dach versammelt. Erich Kästner war in Nürnberg und Erika Mann, John Dos Passos und Martha Gellhorn, Willy Brandt und Markus Wolf. Augusto Roa Bastos kam aus Paraguay, Xiao Qian aus China und noch einige mehr. Sie alle wohnten im Schloß Faber-Castell (der von den Bleistiften), schrieben dort, diskutierten, stritten sich, tanzten, tranken und verzweifelten zum Teil. Nürnberg war zerstört, so dass dieses Schloß außerhalb der Stadt als Herberge herhalten musste.
Tagsüber saßen sie im Gerichtssaal und hörten den Berichten zu, blickten in den Abgrund der Geschichte und abends und nachts schrieben sie darüber. Diese Erfahrungen veränderte nicht sie als Personen, sondern auch ihre Art zu schreiben.
Uwe Neumahr hat sich ein paar dieser Berühmtheiten herausgezogen und schreibt über deren Leben, ihre Erlebnissse in Deutschland und zitiert aus ihren Texten und Briefen, so dass wir einen einzigartigen Zugang zu diesem Prozess, zu den Tätern und Opfer, den Deutschen vor Ort bekommen.

Die Überschriften der einzelnen Kapitel sagen schon mal sehr viel:

  • Das Presselager im Bleistiftschloss
  • Amerikanische Niederlagen
    oder die Melancholie des John Dos Passos
  • Gräfin Katharina und der Gestapochef Rudolf Diels
  • Erich Kästners gebrochenes Versprechen
  • Erika Mann, ihre «liebe Irrenhäuslerin» und ein unangenehmes Wiedersehen
  • William Shirer und der gute Wehrmachtsgeneral
  • Alfred Döblins Verschleierung:
    Von vermeintlichen Gästen auf Schloss Faber-Castell
  • Janet Flanners provokante Kritik an Hermann Görings Verhör
  • Stalinismus auf Französisch: Elsa Triolet
  • Willy Brandt, Markus Wolf und der Massenmord von Katyn
  • Rebecca Wests Affäre mit dem Richter
  • Martha Gellhorn, Hemingways Schatten und der Schock von Dachau
  • Malen, um dem Grauen zu entfliehen:
    Wolfgang Hildesheimer beim Einsatzgruppenprozess
  • Eine Art Nachwort:
    Golo Manns Einsatz für den inhaftierten Rudolf Heß

Montag

Gestern hatten
Alfred Döblin *1878
Milena Jesenská * 1896
Jorge Amado * 1912
Emine Evgi Özdamar * 1946
Geburtstag
und heute sind es
Enid Blyton * 1897
Wolfgang Hohlbein * 1953
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Gestern habe ich das kleine Bändchen von und über den brasilianischen Architekter Oscar Niemeyer gelesen, der immer wieder seinen Freund Jorge Amado erwähnt und jetzt lese ich, dass dieser Jorge Amado gestern Geburtstag hatte.
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UNGEREIMTHEIT DER WOCHE (… aus der Tierwelt):

DAS MASTSCHWEIN

Bis in die oberste Etage
der sturmgepeitschten Takelage
klettert es ganz ohne Bange,
um dort zu harren dann recht lange.

Vom Mastkorb aus warnt es vor Riffen
oder vor Piratenschiffen.

Erst wenn die lange Schicht zu Ende,
verlässt es seinen Korb behände,
um zu klettern flink und munter
wieder auf das Schiffsdeck runter.

UNGEREIMTHEIT DER WOCHE: (aus der Reihe … von fies bis böse)

VERKEHRSINSEL MIT EICHE

Ein Gutachter hat festgestellt,
obschon bisher nie was passierte,
dass dieser Baum Gefahr darstellt,
falls jemand mäßig manövrierte.

Mit einem Male stört er sehr,
der gute, alte Eichenbaum
auf seiner Insel im Verkehr.
Nun soll er weg, man glaubt es kaum.

Denn führe wer mit Tempo gegen
jene höchst standhafte Eiche,
würd‘ sich diese nicht bewegen,
auf dass sie zur Seite weiche.

Der Eiche Dasein zu beenden,
liegen die Sägen schon bereit.
Schließlich gilt es abzuwenden
ein Unglück wegen Baumsturheit.

Kaum ist der Eiche Stamm durchtrennt,
sieht man sehr gezielt sie stürzen
auf den Gutachter, der rennt,
um auch sein Leben zu verkürzen.

© Werner Färber
ungereimtheiten@wernerfaerber.de
www.wernerfaerber.de
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Eigentlich wollte ich oben gennntes Buch von Oscar Niemeyers heute vorstellen. Dann habe ich abends noch die DVD: „Gypsy Spirit“ angeschaut und muss meine Eindrücke einfach gleich loswerden.

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„Gypsy Spirit“
Harri Stoika – Eine Reise
Ein Film von Klaus Hundsbichler
DVD € 14,99

Die DVD wurde mir im Laden empfohlen und diesen Tipp gebe ich hier gerne weiter.
Harri Stoika, der österreichische Stargitarrist, sowohl im Jazz und wie im Gypsy-Swing, nimmt uns hier mit auf eine Reise nach Indien. Besser gesagt nach Rajastan. Mit im Gepäck seine Gitarre und sein Freund und Geiger Mosa Sisic. Sie sind auf der Suche nach den Wurzeln ihrer Gypsy-Roma-Sinti-Musik, sie wollen wissen, wo denn das alles herkommt.
Vorneweg muss ich gleich sagen, dass wir die Inder sehr gut mit ihrem Englisch verstehen und dies dann auch noch mit Untertiteln versehen ist. Was Harry und Mosa allerdings auf wienerisch brabbeln, bleibt mir meist verschlossen. Machen Sie sich auf etwas gefasst.
Diese beiden stolpern praktisch von Stadt zu Stadt, treffen die unterschiedlichsten Menschen und musizieren mit ihnen spontan. Ich denke, dass dies in Wirklichkeit nicht so spielerisch einfach war, sondern längere Recherchen vorneweggegangen sind. Sie haben einen Führer an der Hand, der ihnen die Häuser zu diesen Musikern öffnen. Dort wird geprobt, gespielt und sich ausgetauscht. Dies allerdings mit so großem Witz und einer noch größeren Spielfreude. Sie merken beim Zuschauen und Zuhören, dass Musik wirklich international ist, dass Musiker nicht die gleiche Sprache reden müssen und sich dennoch verstehen. Schön auch, dass sowohl unsere beiden Wiener Musikanten, als auch die indischen Musiker von einander gelernt haben.
Der Film zeigt uns diese vielen Sessions, die mal gelingen, mal nur ein Nebeneinander sind, wie Harri Stoika erzählt. Auch das Zusammenspiel auf einem Markt mit einem Schmied, der sich als sehr spezieller Musiker herausstelt, war zu fremd für Harri und Mosha. Harri meint, dass er so eine Art von Musik noch nie gehört hat. Aber ein Versuch sei es wert gewesen.
Dieser Film lebt von der Spielfreude aller auftretenden Musikern und den sehr witzigen Kommentaren.
Immer wieder wird die Reise in Indien mit einem gemeinsamen Konzert in Wien unterbrochen, in dem die indischen Musiker zu Besuch in Wien sind und ein gemeinsames Konzert geben. Aber auch spontane Musikeaktionen auf dem Prater und irgendwo bei einem Heurigen können sie miterleben.
Ein Film voller Musik, praller Farben und schönen Bilder.
Wenn Sie dann noch die Stunde Bonusmaterial dazu anschauen, haben Sie einen langen Kinoabend hinter sich.