Oster-Montag

Heute haben
Nikolai Gogol * 1809
Edgar Wallace * 1875
Carl Sternheim * 1878
Milan Kundera * 1929
Rolf Hochhuth * 1931
Geburtstag.
_____________________________

Hein

Christoph Hein:Vor der Zeit
Korrekturen
Insel Verlag € 19,95

„Die neuen Erzählungen der alten Mythen.
Der Romancier Christoph Hein, der unbestechliche Chronist der Gegenwart, der genaue Registrator der Widersprüche innerhalb der DDR, der Aufdecker der Schwachstellen der gesamtdeutschen Entwicklungen, wendet sich in seinem neuen Erzählwerk den Mythen, den Göttern, den Erzählungen von den Taten und Untaten der alten Welt zu. Dabei entdeckt er Hochspannendes: Kleine Korrekturen an den für unveränderlich geltenden Berichten über die Taten und Niederlagen der Götter und Titanen können deren Leistungen in ihr Gegenteil verkehren; sie zeigen, dass alles auch ganz anders hätte vonstattengehen können, Sieger zu Verlierern werden können, gute Absichten sich in ihr Gegenteil verkehren, völlig neue Bedeutungen sich herauskristallisieren.“
Dies schreibt der Verlag dazu.

http://www.mdr.de/tv/programm/video111678.html
Ein Fernsehbericht auf mdr.

Christoph Hein beginnt mit einem Hobbyforscher und -Entdecker, der Troja nahe auf der Spur war, dann aber seinen Ruhm an Schliemann abtreten musste. Auch seine weitere Versuche waren zum Scheitern verurteilt. Die Insel Leuke, eigentlich nur ein Steinhaufen im Mittelmeer entpuppt sich auf den ersten Blick auch nicht als der Ort, an der Achill beerdigt worden sein soll.
„Vierzehn Jahre später starb Frank Calvert. In der Welt und der Welt der Wissenschaft blieb sein Name sprachlos. Nur Anmerkungen des namhaften Feldarchäologen Schliemann erinnern noch an ihn.
Seiner testamentarischen Verfügung, wonach er auf der Schlangeninsel Leuke beigesetzt werden solle, konnte nicht nachgegeben werden.“

In der zweiten Geschichten sind wir dann mitten in der griechischen Mythologe und Christoph Hein erzählt auf seine Art „Das Goldene Vlies“ nach. Eine wilde Räubergeschichte, in denen die Argonauten erst am Ende auftauchen und auf ihrer Flucht eine Straße der Verwüstung, Morde und Vergewaltigungen hinterlassen haben.
„Die Argonauten, die erfolgreichen Räuber, gingen später einer nach dem anderen elend zugrunde, und nach ihnen starben, um das goldene Vlies zu verteidigen oder zu rauben, fünf Halbgötter, einundzwanzig Giganten, zwölf Könige, sieben Königinnen, eintausendvierhundert Helden, siebenundzwanzig adlige Damen und fünf hochgeborene Säuglinge. Vergewaltigt wurden neunhundertsiebenundvierzig edle Frauen verschiedenen Alters, dreiunddreißig von ihnen verfielen in Wahnsinn. An gemeinen Kriegsleuten, Bauern, Weibern und Gehilfen seinen zweihunderttausend erschlagen worden oder auch fünfhunderttausend, aber dies ist nur die Schätzung eines königlichen Chronisten, denn ihre Zahl wurde nie gezählt.“

Prometheus, die schöne Helena, Dionysos,Echo die Nymphe, die Bibliothek des Apollodor und das erste Buch Homers sind u.a. die Kapitelüberschriften der rund fünundzwanzig Erzählungen.
Das letzte Kapitel erzählt von Odysseus, der nach seine vielen Schlachten, seiner Reise, seinem Ankommen in der Heimat ein großes Fest mit all seinen Kollegen gibt. Auch eingeladen ist der blinde Erzähler / Sänger Homer, der ein Heldenlied auf die Taten dieser Helden singen soll. Odysseus ist mit dem Gesang nicht einverstanden und fordert Homer auf eine neue Version der Geschichte zu erzählen. Er muss solange am Hof von Odysseus bleiben, bis er dies erledigt hat. Mit der zweiten Version sind die Helden nicht einverstanden, Odysseus schon. Homer reist ab und die erste Version seiner Geschichte bleibt auf alle Zeit verschollen.
„Überall wurde seither nach dem ersten Buch Homers gesucht, dem ursprünglichen Gesang. Unter den Trümmern von Troja, auf Leuke, in Kleinasien, in Libyen ud Thessalien, in allen mittelländischen Ländern wurde Gesucht und gegraben, aber bis zum heutigen Tage wurde keiner dieser Schriftrollen gefunden. Doch sind sie vorhanden, irgendwo. Sie sind in der Welt.“

Christoph Hein gibt seinen Geschichten eine kleine Wendung und verdreht sie so oft ins Gegenteil. Da diese Mythen eh ein großes Sammelsurium von Räuberpistolen sind, Odysseus einer der größten Lügner der Weltliteratur, hat dies noch einen größeren Reiz. Und irgendwie passt das dann auch noch zu unserem heutigen Datum, den 1.April.
Ein großes Lesevergnügen, auch wenn man die Mythen nicht mehr so richtig parat hat.

Leseprobe