Heute hat
Luwig Fels * 1946
Geburtstag.
Aber auch Hilary Hahn und Jimi Hendrix.
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https://www.youtube.com/watch?v=R-DO8zskzq4
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Nach diesem weiss schwarzen Musik(er)kontrast stelle ich Ihnen ein Buch vor, das sehr gekonnt mit dieser Problematik auffährt.
NoViolet Bulawayo:“Wir brauchen neue Namen“
Aus dem amerikanischen Englisch von Miriam Mandelkow
Suhrkamp Verlag € 21,95
NoViolet Bulawayo ist die erste Schwarzafrikanerin, die auf der Shortlist des bedeutenden Man Booker Prize stand, dem wichtigsten Literaturpreis der angelsächsischen Welt. NoViolet kommt aus Zimbabwe, ist mittlerweile 32 Jahre alt und lebt seit ihrem 18. Lebensjahr in den USA in „Destroyedmichygen“. Solche neue Wortschöpfungen sind keine Seltenheit in diesem flotten Erstlingswerk. Ihre Tante, bei der sie lebt, wenn ihre Mutter unterwegs ist, singt laut Choräle in englischer Sprache, mit Worten, die sie nur vom Hören kennt, da sie nicht lesen kann und schon gar kein Englisch.
Das Buch spielt in der ersten Hälfte in Zimbabwe, wird aber von der Autorin nie erwähnt. Die umliegenden Länder schreibt sie auf, aber nicht ihr Heimatland, das sie „unser Land“ oder auch das „elende Land“, das „gesegnete, elende Land“ nennt. Gemeinsam mit ihren gleichaltrigen Freunden jagt Darling, wie sie genannt wird, durch die Wellblechsiedlungen, um Spiele, wie „Fangt-bin-Laden“ zu spielen, oder Guaven aus den Gärten der Reichen zu klauen. Sie bekommen die Armut der Mitbewohner und die Willkür der Herrschenden mit, die mal eben eine Siedlung plattmachen. Sie schreibt dies wie mit leuchtenden Farben auf, hat immer eine schöne, besondere Beschreibung zur Hand, und wir tauchen sehr schnell in eine, für uns, extrem fremde Welt ein. Nochmals zurück zu ihrem neuen Namen: Violet war der Name ihrer Mutter. „No“ heisst in ihrer Muttersprache Ndebele „mit“ und Bulawayo ist die zweigrößte Stadt in Zim (wie sie Zimbabwe in der Danksagung nennt). Diese neuen Namen ziehen sich durch das ganze Buch. Neue Namen, für Dinge, die die Kinder nicht kennen, oder zum ersten Mal sehen. Namen, die sich beim Spielen geben und die sie sicherlich aus den amerikanischen TV-Serien her kennen. Und natürlich neue Namen, die es braucht, um in ihrem neuen Land, den USA, zurecht zu kommen. Ein Land, das so gar nichts mit dem ihrer Kindheit zu tun hat. Zu groß sind die Unterschiede und so unterschiedlich die Interessen, oder das Nichtinteresse. Einerseits das gelobte Land, andererseits ein Land in Afrika, das mit dem Begriff Afrika abgehakt ist.
Ihre Clique stromert durch die Gegend, bekommen von NGOs Spielzeug geschenkt, das sofort wieder kaputt ist, suchen sich Jobs, um etwas Geld zu bekommen, wissen um dieses fremde Land, in das immer wieder Bekannte verschwinden. Paradise heisst ihre Siedlung, aber ein Paradies ist es wirklich nicht. Höchstens in der bewusst verklärten Sicht der Autorin, die ihre Personen viel in der direkten Rede, mit all den neuen Wortmischungen, reden lässt. Das neue Land ist jedoch auch kein Paradies und sprüht so gar nicht von der Lebensenergie in „Zim“. Hier gibt es zumindest evangelistische Teufelsaustreibungen, während des Gottesdienstes. Ein Paradies ist es auch nicht für ihre elfjährige Freundin Chipo, die von ihrem Grossvater vergewaltigt wurde und nun schwanger ist. Der Versuch, den Fötus mit einem Metallkleiderbügel herauszubekommen, wird von einer Erwachsenen beobachtet und führt zu einer sehr rührenden Szene.
Das knallbunt aufgemachte Buch ist eine großartige Lektüre, die man in einem Rutsch verschlingen kann. NoViolet Bulawayos Art zu erzählen, hilft einem die dunklen Seiten in der Biografie des jungen Mädchens zu ertragen und auch wenn der Vater nach Jahren wieder zuhause auftaucht und an Aids stirbt, beschreibt sie dies so: „Er fühlt sich an wie trockenes Holz, aber da ist ein komisches Licht in seinen eingefallenen Augen, als hätte er die Sonne verschluckt“. Und genau solche Formulierungen durchziehen den Roman und lassen ihn leuchten durch das Novembergrau in Ulm, oder ihrer neuen Heimat in Detroit. Die Autorin hat dies auch begriffen und lebt nun im sonnigen Kalifornien, um dadurch ihrer Heimat klimatisch etwas näher zukommen.
http://www.suhrkamp.de/mediathek/noviolet_bulawayo_ueber_wir_brauchen_neue_namen_817.html
NoViolet Bulawayo schreibt im „Telegraph“ ihren ersten Besuch in ihrer Heimat, und berichtet mit persönlichen Fotos darüber, worauf sie nicht vorbereitet war.
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Die nächste „Erste Seite“ findet am kommenden Dienstag, den 2.12. um 19 Uhr bei uns in der Buchhandlung statt. Es wird, wie jedesJahr etwas weihnachtlich. Lassen Sie sich überraschen.