Donnerstag, 29.September

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Aus dem Gedichte Kalender von Harenberg vom 29.09.2017

Josef Weinheber
Mit halber Stimme

Nimm des Menschen Dunkelstes: Dies ist ewig.
Nimm aus weher Brust das Verlorne, hauch die
Scham, die Sehnsucht, flüstre das Weinen in die
Stille des Abends,

die Gedanken vor dem Entschlafen; alle
hingehauchten Worte der Herbstnacht, alle
einsam armen Wege, die Trauer und das
Ende der Liebe.

Wie ein Sturm ist menschliches Leid und wie das
ferne Spiel von Harfen; das tiefste aber
ist ein Strom: nicht strömt er von hier, er flutet
inner der Erde.

Nimm das Leid und mach es zum Liede: Welches
Lied ist süßer, welches mit Würde leiser!
Gleich dem wunden Mund der Geliebten, nachher;
oder dem kargen

Lächeln eines Sterbenden. Immer werden
im den Grenzen groß die Gefühle. Denn im
Obergang ist Weihe und Muß und jene
Todkraft des Opfers -:

Bittrer Becher, sei uns gesegnet! Ach, wer
leidet denn genügend – und wer denn wurde
je zu tief gehöhlt, dem die streng gespannte
Saite erbebte?

https://www.youtube.com/watch?v=JoeikuuBeMM

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Oh Schon wieder ist ein Monat vorbei. Oder fast. Wie schnell doch die Zeit vergeht.
Mit den Monatsgedichtsbändchen aus dem Reclam Verlag können wir den Jahresverlauf schön verfolgen. Sie liegen seit Jahren bei uns an der Kasse, passend zum Monat und passend für jede Tasche.

oktober

Oktober
Gedichte
Ausgewählt von Evelyne Polt-Heinzl und Christine Schmidjell
Reclam Verlag € 5,00

Robert Walser, Carl Zuckmayer, Rose Ausländer, Ingeborg Bachmann, Christoph Meckel, Friederike Mayröcker, Kaschnitz, Kunze, Jandl, Artmann, Rilke, Gernhardt, und und und.
In gewohnter Art führen uns die beiden Herausgeberinnen durch den Monat Oktober. Vom Spätsommer, bis zum kalten Herbst ist alles dabei. Nur kein Goethe. Den mögen die beiden wohl nicht. Oder sie brauchen ihn nicht, weil sie so viele andere AutorInnen haben.
Hier eine kleine Auswahl:

Detlev von Liliencron
Herbst

Astern blühen schon im Garten;
Schwächer trifft der Sonnenpfeil
Blumen die den Tod erwarten
Durch des Frostes Henkerbeil.

Brauner dunkelt längst die Haide,
Blätter zittern durch die Luft.
Und es liegen Wald und Weide
Unbewegt im blauen Duft.

Pfirsich an der Gartenmauer,
Kranich auf der Winterflucht.
Herbstes Freuden, Herbstes Trauer,
Welke Rosen, reife Frucht.

Theodor Fontane
Spätherbs
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Schon mischt sich Rot in der Blätter Grün,
Reseden und Astern sind im Verblühn,
Die Trauben geschnitten, der Hafer gemäht,
Der Herbst ist da, das Jahr wird spät.

Und doch (ob Herbst auch) die Sonne glüht, –
Weg drum mit der Schwermut aus deinem Gemüt!
Banne die Sorge, genieße, was frommt,
Eh’ Stille, Schnee und Winter kommt.

Nikolaus von Lenau
Herbstgefühl

Mürrisch braust der Eichenwald,
Aller Himmel ist umzogen,
Und dem Wandrer, rauh und kalt,
Kommt der Herbstwind nachgeflogen.

Wie der Wind zu Herbsteszeit
Mordend hinsaust in den Wäldern,
Weht mir die Vergangenheit
Von des Glückes Stoppelfeldern.

An den Bäumen, welk und matt,
Schwebt des Laubes letzte Neige,
Niedertaumelt Blatt auf Blatt
Und verhüllt die Waldessteige;

Immer dichter fällt es, will
mir den Reisepfad verderben,
Daß ich lieber halte still,
Gleich am Orte hier zu sterben.

Christian Morgenstern
Oktobersturm

Schwankende Bäume
im Abendrot –
Lebenssturmträume
vor purpurnem Tod –

Blättergeplauder –
wirbelnder Hauf –
nachtkalte Schauder
rauschen herauf.

Friedrich Rückert
Herbsthauch

Herz, nun so alt und noch immer nicht klug,
Hoffst du von Tagen zu Tagen,
Was dir der blühende Frühling nicht trug,
Werde der Herbst dir noch tragen!

Läßt doch der spielende Wind nicht vom Strauch,
Immer zu schmeicheln, zu kosen.
Rosen entfaltet am Morgen sein Hauch,
Abends verstreut er die Rosen.

Läßt doch der spielende Wind nicht vom Strauch,
Bis er ihn völlig gelichtet.
Alles, o Herz, ist ein Wind und ein Hauch,
Was wir geliebt und gedichtet.
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Am kommenden Dienstag, gleich nach dem Feiertag, stellen wir wieder vier neue Bücher vor.
Es liest natürlich Clemens Grote und wir erfahren von einer Ulmer Familie, wie es war, mit dem Motorrad durch Afrika zu rollen.

„Die erste Seite“
Dienstag, 4.Oktober ab 19 Uhr.
Der Eintritt ist frei

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