Dienstag, 21.Februar

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Heute haben
Henry Longfellow * 1807
John Steinbeck * 1902
James Farrell * 1904
Lawrence Durrell * 1912
Geburtstag
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Irgendwie auch aktuell:

Arno Holz
Amerika

Oft frag ich lachend mich, weswegen
Mit Lanzen, Schwertern, Spießen, Keulen
Dies todesfrohe Kämpfen gegen
Concessionirte Eiterbeulen?

Wie lang noch, und das Dunkel frißt
Europas letzte Gaslaternen,
Denn das Panier der Zukunft ist
Das Streifenbanner mit den dreizehn Sternen.
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Jean-Luc Seigle: „Ich schreibe Ihnen im Dunkeln
Aus dem Französischen von Andrea Spingler
Beck Verlag € 19,95

Wie schon in seinem ersten Roman im Beck Verlag: „Der Gedanke an das Glück und an das Ende“, versteht es Jean-Luc Seigle mit seiner einfühlsamen Sprache Dramatisches ruhig zu erzählen. Auch in diesem Roman dauerte es wirklich einige Seiten, bis ich warm wurde mit dem Thema. Der Autor nähert sich von verschiedenen Seiten der Hautperson Pauline. Daß sie wegen Mordes zu lebenslänglich verurteilt worden ist und neun Jahre davon abgesessen hat, können wir auf dem Klappentext lesen. Was aber sonst noch dahintersteckt, wird erst nach und nach sichtbar. Blatt für Blatt offenbart sich das Geheimnis, die Vorkommnisse, die an Brutalität nicht zu überbieten sind. Brutal nicht wie bei einem Thriller, der gewollt auf Schockszenen aus ist. Nein, Seigle erzählt subtil und doch trifft er uns voll. Mir wurde schwindelig allein bei der Vorstellung. Die Vorstellung, was sich in Köpfen von Menschen, hier meist von Männern, abspielt und wie diese Gedanken in die Tat umgesetzt werden.
Pauline hat zwei ihrer drei Brüder im Krieg verloren, die Mutter fällt in eine tiefe Depression, der Vater übertüncht seine Trauer. Als Pauline ihre Weiblichkeit entdeckt, stürzt sie sich in jugendlichem Alter in viele sexuelle Abenteuer, die ihr Jahre später zu Verhängnis werden.
Der Zweite Weltkrieg kennt keine Gewinner. Und so hat die Familie zwar zwei Helden, die jedoch auf dem Friedhof liegen. Und als die junge, hochintelligente Pauline eine Anstellung bei einem deutschen Militärarzt, der Deutsche und Franzosen behandelt,  erhält, bekommt sie die Folgen der brutalen Gewalt zu spüren. Hautnah kommt sie mit verwundeten, entstellten, sterbenden Soldaten in Kontakt und versucht zu helfen, wie und wo es nur geht. Als der Krieg zu Ende ist, steht es plötzlich ganz anders um Pauline, die sich mit dem deutschen Arzt eingelassen hat.
Jean-Luc Seigle beleuchtet den tatsächlichen Vorfall, den wirklich stattgefundenen Mordprozeß, auf den ich hier nicht näher eingehe, aus seiner Sicht. Er „verwendet“ dabei verschollene Aufzeichnungen von Pauline, die er jedoch nie zu Gesicht bekommen hat. Wir erfahren, was mit dem jungen Mädchen passiert ist. Die Mischung aus Erniedrigungen und Gewalt und ihre unbändige Suche nach Nähe und Liebe, ihre ständige Sehnsucht nach Geborgenheit und Glück werden ihr zum Verhängis. Sie stirbt sozusagen mehrfach in diesem Roman. Bis zum Schluß genießt sie die magischen Sonnenuntergänge in Marokko, wo sie unter falschem Namen untergetaucht ist. Sie fühlt sich jedoch von allen verraten und abgewiesen, so daß ihr ein Weiterleben nicht möglich ist.
Pauline wurde nur 36 Jahre alt.

Leseprobe
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Werner Färber Ungereimtheit der Woche

Kräuerfrau

Eine Frau, die Kräuter kannte,
heilte gern Menschen, welche krank.
Ein Dummkopf sie ’ne Hexe nannte,
worauf ihr Anseh’n heftig sank.

Da niemand wusste, wie sie’s machte,
war plötzlich Misstrauen geweckt.
Auch weil sie fröhlich war und lachte,
wirkte von nun an sie suspekt.

Ehe samt Besen sie würd‘ brennen,
war sie auf ihm davongeflogen.
Denn wenn die Leute was nicht kennen,
handeln sie häufig überzogen.